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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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humorvolle Beamte im Dienst sind selten. »Außerdem kostet es eine Menge.«
    »Hier.« Amina griff in ihre Handtasche und legte ein Bündel zusammengeknüllter Geldscheine auf die Theke. »Versuchen Sie es, bitte. Es hängt viel davon ab …«
    Die Technik ist ein Wunderwerk, die Möglichkeit, über Hunderte von Kilometern hinweg mit einem anderen Menschen zu sprechen, ihn klar zu verstehen, nimmt man als selbstverständlich hin, und trotzdem ist es ein kleiner Schöpfungsakt. Es dauerte nicht Stunden, wie der Beamte befürchtet hatte, sondern nur eine halbe Stunde, und er winkte durch die Glasscheibe.
    »Kabine vier.«
    »Bleib hier«, sagte Amina und drückte Kehat, der aufspringen wollte, auf die Holzbank zurück. »Bitte, laß mich allein mit meinem Vater sprechen. Es ist besser so … bitte …«
    Er nickte, sank auf die Bank zurück und lehnte den Kopf gegen die gekachelte Wand. Nach Tel Aviv, dachte er. Ich muß nach Tel Aviv. Zu Mutter, zu den anderen, zu der Stelle, wo man Vater aus dem Wagen holte und seine Begleiter erschoß. Dort will ich Mut und Kraft, Haß und Ausdauer trinken – nur von dort aus wird es möglich sein, Gottes schreckliches Gebot zu erfüllen: Auge um Auge, Zahn um Zahn … Wir wollten in Frieden leben, aber man zwingt uns, zu vernichten.
    Nach Tel Aviv … Wo liegt Tel Aviv? Auf einem anderen Stern? Amina wird nie mitkommen, aber ich liebe sie, und diese Liebe verändert die Welt. Also werde ich Tel Aviv nie wiedersehen. Meine neue Welt, meine neue, einzige Heimat wird in den Armen von Amina liegen. Es ist unbegreiflich, aber es ist eine Tatsache, vor der man nicht davonlaufen kann. Da ist ein Mensch gekommen, ein völlig fremder Mensch, und auf einmal ist er der Mittelpunkt der Welt, ein Stück eroberten Himmels, die Erfüllung, von der man träumte.
    Kehat schielte hinüber zu der Telefonkabine. Er sah durch die kleine Glasscheibe, wie Amina sprach, ihre Stirn drückte sich dabei gegen den schwarzen Telefonkasten, und sie weinte.
    »Ist dort Qnaitra?« fragte sie. »Qnaitra? Bitte melden Sie sich. Qnaitra. Bitte …«
    Und dann eine tiefe, gutturale Männerstimme, auf Syrisch. »Hier Qnaitra. Ihre Verbindung zu Safar Murad. Wer sind Sie?«
    »Ich möchte Dr. Murad sprechen, sofort.«
    »Das geht nicht.«
    »Warum?«
    »Wer sind Sie?«
    »Geben Sie mir Issa Murad. Ich bitte Sie, ich flehe Sie an … Issa Murad …«
    »Warten Sie.«
    Es knackte ein paarmal laut, dann verrann eine Minute wie eine Wartestunde vor dem Schafott. Endlich eine leise, weibliche Stimme, und als sie sich meldete, begann Amina zu zittern und drückte die Knie durch, um nicht einzusinken in die plötzliche Schwäche, die über sie kam.
    »Wer spricht …?« fragte die sanfte, leise Frauenstimme.
    »Mutter …«, stammelte Amina. »Mutter … Mutter … o Mutter …« Sie drückte die Stirn an das Telefon und begann zu weinen. »Ich bin es. Amina …«
    Von drüben ein Aufschrei, über tausend Kilometer hinweg deutlich, ein Schrei, der wie ein Messer das Herz zerschnitt. »Wo bist du?« schrie Issa Murad in das Telefon. »Amina, Töchterchen, o Allah segne dich … wo bist du? Sag es, sag es … deine Stimme ist so nah … Warum versteckst du dich … Dein Vater ist grau wie Asche geworden, kein Feuer ist mehr in ihm … Amina –«
    »Wo ist Vater?« sagte sie mühsam. »Mutter, hol Vater an den Apparat. Ich muß mit ihm reden …«
    »Dein Vater ist nicht hier. Allah, höre mich! Gib mir Amina wieder!«
    Ein Beben lief durch Aminas Körper. Sie umklammerte das Telefongehäuse und hielt sich an ihm fest. Die Tränen liefen über ihr zuckendes Gesicht, aber sie atmete ein paarmal tief durch, um stark genug zu sein, weiterzusprechen.
    »Wo ist Vater?«
    »Ich weiß es nicht. Er hat gesagt, er fliegt nach Kairo … aber wer weiß das? Amina, er hat geweint, dein Vater hat geweint! Wir haben um ihn herumgestanden und haben gebetet, als stürbe er. Safar Murad kann weinen … wir waren alle starr. Amina, warum hast du das getan … Wo bist du jetzt … Dein Vater …«
    Ganz langsam hängte Amina ein. Sie hörte noch ihre Mutter rufen, flehentlich, wie man Allah anschreit um Gnade, und als es knackte und die Stimme abgerissen wurde, war es ihr, als habe sie ihre Mutter umgebracht. Sie blieb stehen, umfaßte den Telefonkasten und hing an ihm, als sei er eine Felsennase über einen unüberblickbaren Abgrund.
    »Komm –«, sagte Kehat. Er hatte die Tür der Telefonzelle geöffnet, löste Aminas Hände vom Telefon und

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