Liebe auf dem Pulverfaß
lastende Stille, hinein. »Ich werde vor dem Haus wieder auf meiner Flöte blasen, und wenn du rufst: ›Allah ist der Größte‹, weiß ich, daß du kommen kannst. Wir werden euch die Tür vom Gang aus öffnen …«
»Das ist eine gute Idee.« Moshe Yonatan faßte Amina an die Schultern. »Darf ein alter Mann und der Vater deiner Liebe dir einen Kuß geben? Darf ich dich Tochter nennen?« Er zog sie an sich, küßte ihre Stirn und streichelte über ihr schwarzes Haar. Dann ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. »Jetzt ist sie in unserer Familie aufgenommen, Safar.«
»Vor drei Wochen hätte ich jeden getötet, der mir das vorausgesagt hätte!« knurrte Dr. Murad. »Die Welt steht kopf! Allah, wir können es nicht ändern.«
Sie warteten und lauschten durch den Türspalt ins Haus. Der Schritt der Wachen klang weit entfernt, es war eine gute Zeit, wieder zum Keller zurückzulaufen. Noch einmal küßte Safar seine Tochter, drückte sie an sich und hielt dann die Tür auf. Sie schlüpfte hinaus und ging dann unbefangen, wie es sich für eines von Jasirs Mädchen gehörte, den Gang entlang zu der großen Eingangshalle.
Der Wächter hörte sie nicht. Es war die Zeit, in der ein Mensch zwischen Nacht und Morgen einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit verliert. Ungesehen erreichte Amina die Kellertür und verschwand. Safar ging langsam ins Zimmer zurück. Yonatan folgte ihm … und dann saßen sie beide auf dem Diwan vor dem Fenster, sahen hinaus in die Nacht und hinauf in den Himmel.
»Tun Sie's –«, sagte Yonatan leise. »Schämen Sie sich nicht.«
»Und Sie, Moshe?«
»Ich tu's auch …«
Safar Murad fiel in die Knie, mit dem Gesicht nach Mekka und verbeugte sich tief vor Allah. Yonatan faltete die Hände und drückte sie gegen seine Brust. So beteten sie, jeder zu seinem Gott, aber gemeinsam mit nur einem Gedanken: Beschütze mein Kind –
Es gleichen sich alle Väter auf dieser Welt.
Kehat stand völlig im Dunkel, als die Tür wieder aufsprang und Amina zurück in den modrigen Gang kam. Von einer elektronischen Sicherung hatte sie nichts bemerkt. Zur Kellerseite hin besaß die Tür eine normale Klinke. Auch jetzt war das große Glück mit ihnen, der Hebel im Gang war noch heruntergedrückt, und erst, wenn er wieder oben war, schaltete sich die Elektrofalle ein. Vom Keller aus war sie mit einem zweiten Hebel zu betätigen, aber den sah nur ein Eingeweihter. Er war in der Verzierung einer der arabischen Messinglampen verborgen, die an die Wand montiert waren und jetzt nur mit einem Notlicht brannten.
»Ich bin zehn Tode gestorben«, sagte Kehat und riß Amina an sich. Er zitterte am ganzen Körper und drückte sie so fest an sich, daß sie kaum Luft bekam. »Es war fürchterlich, Amina, fürchterlich –«
»Ich habe sie gesprochen, beide gesprochen. Sie leben in einem gemeinsamen Zimmer. Sie sind beide Gefangene.« Sie drückte die Eisentür zu und schob den Hebel wieder nach oben. Es sollte alles so sein wie vorher. »Sie wollen flüchten, und wir sollen sie abholen …«
»Wie sieht mein Vater aus? Haben sie ihn mißhandelt? Was sagt er? Wie hat man ihn entführen können …?«
Sie liefen den Gang hinunter, solange sie noch aufrecht gehen konnten. Erst vor Beginn der niedrigen Erdröhre hielten sie wieder an.
»Es sind zwei streitbare alte Esel, unsere Väter«, antwortete Amina atemlos vom Lauf. »Du hättest sie hören sollen … streiten sich, wer der größere Held ist. Sohn oder Tochter! Und so etwas will Weltpolitik machen! Kehat, unsere Generation ist anders.«
»Ich fürchte – nein! Die Menschen sind immer so, sie waren nie anders. Sie lernen nie aus den Fehlern der Vorfahren, sie wiederholen sie bloß ein bißchen modifiziert. Auch wir sind nicht anders. Haben wir uns nicht gestritten, welcher Vater politisch im Recht ist?«
Sie nickte und küßte ihn statt einer Antwort. Dann legten sie sich auf den Boden und krochen wieder in den Gang hinein. Kehat voraus, in der Rechten die Taschenlampe, das Messer zwischen die Zähne geklemmt. Der Rückweg war schneller, man hatte nichts Unbekanntes mehr vor sich. Es gab keine Überraschungen mehr.
Aber diese Sicherheit trog. Kurz vor dem Erreichen des senkrecht nach oben führenden Schachtes mit den Steigeisen, hörten sie schabende Geräusche. Sofort hielt Kehat an, knipste die Lampe aus und riß das Messer aus den Zähnen. Aminas Kopf schob sich neben seinen. Sie lag fast auf ihm.
»Es kommt jemand –«, flüsterte sie. »Jemand
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