Liebe auf dem Pulverfaß
steigt den Schacht hinunter.«
»Es scheint so. Warte hier.«
Sie klammerte sich an ihm fest und schüttelte den Kopf. »Was hast du vor?«
»Ich krieche bis zum Eingang. Wer da herunterkommt, muß sich auch von der letzten festen Sprosse in den Gang schwingen. Das ist unsere Chance. Er kann sich nur am Gang festhalten … aber da bin ich …«
»Kehat …« Ihre Angst wehte heiß über sein Gesicht. »Er wird Waffen haben.«
»Die nützen ihm jetzt gar nichts. Er braucht seine Hände und Beine, um in die Röhre zu kommen.«
Er kroch weiter, bis er den Rand des Ganges erreicht hatte. Von oben fiel Mondlicht in den Schacht, der unterirdische Fluß rauschte dumpf. Die Geräusche wurden stärker, und dann tauchten an der Wand mit den Steigeisen zwei Füße auf, die Schäfte von zwei Stiefeln und der Saum eines arabischen Gewandes. Elegant stieg der Mann abwärts, man sah, daß er darin Übung hatte … Kehat sah jetzt den Rumpf, die breiten Schultern, einen bärtigen Kopf. Der Araber stand auf der untersten Sprosse und stieß sich katzengleich von der Schachtwand ab, um sich in den Gang zu schnellen.
Aber er griff ins Leere. Kehat boxte mit beiden Fäusten gegen den heranfliegenden Körper, den Bruchteil einer Sekunde schwebte der Mann im leeren Raum, dann sackte er weg und verschwand in der Tiefe. Er war so überrascht, daß er nicht einmal schreien konnte – unten klatschte es auf, und wenn er jetzt geschrien hatte, saugte das Rauschen des Flusses jeden Laut weg.
Kehats Herz klopfte in seiner Kehle. Übelkeit überfiel ihn. Er, der zukünftige Arzt, der schwören wollte, jedem Menschen zu helfen, hatte einen Menschen getötet. Er legte den Kopf auf die Unterarme und atmete schwer. Gleichzeitig wartete er und lauschte nach oben. Stieg noch jemand herab?
Aber es blieb still. Vorsichtig schob sich Kehat aus dem Gang, visierte drüben das Steigeisen an und schnellte sich dann vor.
Gelungen! Er hatte wieder festen Halt, kletterte ein Stück hinauf und beugte sich nach unten. Aminas Kopf erschien in der Röhre, dann flog sie an die Steigeisen, als habe man sie abgeschossen.
»Bravo!« sagte Kehat ehrlich. »Du bist wie eine Wildkatze.« Sie antwortete nicht, sondern blickte nach unten. »Hast du ihn getötet?« fragte sie endlich.
»Ja. Es gab keine andere Wahl. Mein erster Mord.«
»Es war kein Mord, Kehat. Es ging um unser Leben.«
»Es geht immer um etwas, auch bei einem Mord.« Er preßte die Stirn gegen die kalte Betonwand. »Ich werde nie mehr der Mensch wie vordem sein … nie mehr …«
Später ritten sie wieder auf ihrem alten Esel die Straße hinunter in die hellerleuchtete Stadt. Kairo lag vor ihnen wie ein glitzerndes Märchen. Irgendein hoher Gast mußte in der Stadt sein … sogar die Pyramiden waren angestrahlt mit großen Scheinwerfern.
Aus dem Haus des Armeniers beobachteten die Spezialisten des israelischen Geheimdienstes Kehat und Amina. Soll man sie mit dem Strahlengewehr beschießen oder nicht? Man beschloß, sie ziehen zu lassen. Zwei armselige arabische Fellachen, wozu der Aufwand? Sie kamen sicherlich aus der Wüste zurück.
So durchbrachen sie auch diese Sperre, ohne es zu wissen, mit dem Glück, das angeblich hold ist den Liebenden und den Narren.
Am nächsten Morgen lud sich Jasir gutgelaunt zum Frühstück ein. Ein Diener rollte noch einen Tisch in Safar Murads Zimmer, dann erschien Jasir selbst. Moshe Yonatan betrachtete das durchaus nicht als ein gastfreundliches Zeichen.
»Wenn Sie mit uns essen, Jasir –«, sagte Murad denn auch, »haben Sie vor, uns in den Kaffee zu spucken. Was ist los? Welche Neuigkeiten bringen Sie?«
»Gute, mein lieber Safar, sehr gute.« Jasir setzte sich und brach sich von dem noch warmen, duftenden Brot einen Kanten ab. Er tauchte ihn in einen großen Honigtopf und biß genußvoll in das Brot. »Aus Rom –«, sagte er kauend.
»Soso, aus Rom?« Yonatan tat so, als schmecke ihm plötzlich nichts mehr. »Sie haben meinen Sohn?«
»Wir sind ihm auf den Fersen. Aber wir wissen mehr. Das geht vor allem Sie an, Safar. Ihre Wunderblume Amina ist ein Versager. Sie hat sich in den Judenlümmel verliebt.«
»Das war ihr Auftrag.«
»Aber nicht, daß sie ihn aus dem Schußfeld nimmt. Sie liebt ihn wirklich.«
»Berichtet das Ghazi Muhamed? Ich glaube, er kann von Köln aus nicht beurteilen, was sich in Rom tut.«
»Ghazi ist in Rom. Er hat mit den italienischen Linken gesprochen. Der Judenbengel hat also wirklich operiert, und Ihre Tochter hat
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