Liebe auf dem Pulverfaß
sie den Knopf niederdrückte.
Wieder kein Laut, kein Signal, nur ein leises, kaum hörbares Knacken in der Tür selbst. Und dann bewegte sie sich plötzlich, schwang unhörbar nach innen auf und gab den Blick in einen schwach erleuchteten Kellerraum frei, an dessen Ende eine Steintreppe nach oben führte. Kein Wächter, keine Kontrollen, kein Alarm …
»Das ist unmöglich!« flüsterte Kehat. »Das ist eine neue Falle. So einfach macht man es keinem, der hier herein will. Bleib stehen, Amina. Bei Gott, bleib stehen …«
Es war zu spät. Amina war durch die Tür gegangen und stand in dem Kellerraum. Was sie nicht wußten: Der Hebel schaltete die elektronische Sicherung aus. Für jeden Fremden hätte der rote Griff Alarm bedeutet, und er hätte ihn nicht berührt. Er würde versucht haben, die Tür anders zu überwinden … und das hätte zur Katastrophe geführt. Eine ganz simple Sicherung, auf die Angst des Menschen gebaut, aber deshalb so ungeheuer wirksam.
»Du wartest hier –«, sagte Amina, als sie an der Treppe standen.
»Nein –«
»Es war so ausgemacht, Kehat.«
»Diese Mühelosigkeit des Eindringens ist mir unheimlich. Ich lasse dich nicht allein.«
»Du kannst im Haus nur alles verderben, glaube es mir. Bei Jasir fällt es nicht auf, wenn ein Mädchen allein durchs Haus geht. Mein Vater hat oft erzählt, wie er hier lebt.«
»Es ist nach Mitternacht, Amina!«
»Eben. Das ist die Zeit, wo ein Mädchen in diesem Haus fast etwas Normales ist. Warte hier, Kehat … bitte –«
Er nickte, lehnte sich an die Wand und biß die Zähne zusammen. Die Tür am Ende der Treppe quietschte etwas, als Amina sie aufdrückte. Dann verschwand sie schnell im Inneren des Hauses.
Die Villa war ein Prachtbau mit einer großen Eingangshalle und einer breiten Treppe, die in die oberen Zimmer führte. Was man an orientalischer Pracht ersinnen konnte, war in sie hineingebaut worden. Amina blieb einen Augenblick stehen und sah sich um. So leben die Revolutionäre, dachte sie bitter. Und die, für die sie kämpfen, hausen seit Jahren in erbärmlichen Zeltstädten unter den furchtbarsten hygienischen Zuständen. Für das Geld, das dieser kleine Palast gekostet hatte, hätte man eine Flüchtlingsstadt aus einfachen, aber sauberen Hütten bauen können mit Toiletten und Abwassergräben, mit menschenwürdigen Zimmern und Kochstellen. Wie aber lebten die Palästinaflüchtlinge schon seit Jahren? Warum stand keiner von den großen Führern auf und klagte das an? War es bewußt so, gehörte das zu ihrer Politik? Der Welt zeigen, wie elend das Leben der von den Israelis Vertriebenen ist, um ein Alibi für alle ihre Taten zu haben? Trug man den Fanatismus auf den Schultern und durch Leiden von Millionen Armen aus? Welch ein Betrug an der Welt! Nur ein Prozent des Reichtums der großen Araber für die Flüchtlinge, und es gab kein Problem mehr!
Sie entschied sich, nach links zu gehen. Dort war ein langer Gang mit vielen Zimmertüren. Hinter einer dieser Türen mußte ihr Vater leben. Sie war entschlossen, sie nacheinander zu öffnen.
Während sie sich umsah, kam von oben, über die geschwungene Treppe, einer der Wächter herunter. Er wunderte sich nicht, daß ein unbekanntes Mädchen im Haus war, er grinste Amina an und ließ die Maschinenpistole über dem Rücken.
»Allah segne dich!« sagte Amina fröhlich. Sie tat sehr lustig … wer von Jasirs Liebeslager kommt, ist nie traurig. »Ich habe bei Jasir einen Wunsch frei … ich darf einen Blick auf den Juden werfen. Wo ist er? Ich will ihn anspucken, Jasir hat es erlaubt …«
Der Wächter grinste stärker. Er zeigte in den Gang hinein. »Die vierte Tür links, schöne Blume –«, sagte er. »Aber du wirst kein Glück haben. Sie verrammeln ihre Tür. Versuch es.« Er lachte verhalten, zwinkerte ihr zu und machte weiter seine Runde durch das weitläufige Haus. Seine tappenden Schritte verloren sich in den schwach beleuchteten Gängen nach rechts.
Die vierte Tür links. Sie huschte weiter, blieb an der bezeichneten Tür stehen und legte das Ohr daran. Dann drückte sie vorsichtig die Klinke herunter. Die Tür bewegte sich, von innen war kein Widerstand. Das Zimmer war dunkel, nur der Widerschein der Mondnacht durchbrach schwach die Finsternis. Sie huschte durch den Türspalt in den Raum und drückte hinter sich die Tür ins Schloß.
Im Zimmer war völlige Stille. Kein Atem schlafender Menschen, kein Rascheln in den Kissen … ein leeres Zimmer? Um so mehr traf Amina die
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