Liebe auf dem Pulverfaß
Stimme, die plötzlich seitlich von ihr, aus einer völlig finsteren Ecke hervorkam.
»Kommen Sie näher, Jasir! Ich habe Sie erwartet. Und machen Sie ruhig Licht! Man zielt im Dunkeln schnell daneben –«
Vater! O Allah! Vater! Es war die Stimme ihres Vaters. Plötzlich versagte ihre Zunge, sie konnte nur noch lallen und lehnte sich gegen die seidenbespannte Wand. Aus einer anderen Ecke kam jetzt ein Rascheln. Dort hockte Professor Yonatan hinter einem Sessel. Safar hatte ihn geweckt, als er draußen die schleichenden Schritte gehört hatte. »Los! Stehen Sie auf und hinter den Sessel!« hatte er gezischt. »Sie kommen. Ich habe richtig gedacht … ich kenne doch meine Freunde. Ich habe eine Abneigung gegen diese Morde, die im Schlaf geschehen.« Dann waren sie auf ihre Posten gelaufen, nicht, um sich zu retten, sondern um anständig umgebracht zu werden. Das war ihr letzter Triumph: Mit Stolz untergehen.
»Warum zögern Sie, Jasir?« sagte Murad jetzt. »Ist es Ihnen unangenehm, einen wissenden Murad al Mullah umzubringen? Ich will Ihre Augen sehen, Sie Hund!«
»Vater –«, sagte Amina mühsam. »O Vater …«
Einen Augenblick war es still im Zimmer. Dann hörte man ein gequältes Stöhnen, aus der dunklen Ecke glitt ein großer Schatten. Auch gegenüber hinter dem Sessel schnellte eine Gestalt hoch.
»Amina, mein Engel!« stammelte Safar. »Mein Augenlicht! O Allah! Allah! Halte mein Herz fest –«
Sie stürzten aufeinander zu, umarmten und küßten sich und begannen, obwohl sie es nicht wollten, zu weinen. Moshe Yonatan stand daneben, biß sich auf die geballten Fäuste und riß nach einer Weile Amina aus den Armen ihres Vaters.
»Wo ist Kehat?« keuchte er. »Wo haben Sie Kehat gelassen? Warum ist er in Rom zurückgeblieben? Was ist geschehen?«
»Seien Sie still, Moshe!« zischte Safar. »Ganz ruhig. Kommen Sie zum Fenster, wir werden jetzt alles erfahren.«
Er zog Amina zum Fenster, betrachtete sie dort noch einmal, drückte sie an sich und küßte sie mit erschütternder Innigkeit. Moshe Yonatan hieb in höchster Erregung die Fäuste gegeneinander.
»Kehat!« sagte er rauh. »Wo ist Kehat, mein Sohn?«
»Hier.«
»Im Haus? Um Gottes willen!«
»Er wartet in einem geheimen Gang, der bis zu den Mokattam-Bergen führt. Dort ist der Ausstieg unter einer alten Tamariske. Wir haben alle Sicherungen überwunden. Allah war bei uns.«
»Und Rom? Was ist mit Rom?«
»Dort kommen wir her. Kehat hat dort das Geld verdient, damit wir nach Kairo fliegen konnten.«
Professor Yonatan schielte zu Safar hinüber und lächelte schwach. »Ihr Nachrichtendienst ist – wie immer – ein paar Schritte zurück, Safar. Rom war schon Vergangenheit, Sie hören es.«
»Ihr Nachrichtendienst tappt völlig im dunkeln, nehme ich an.« Safar drückte Amina wieder an sich. Sein Vaterstolz war ungeheuer. »Habe ich nicht eine mutige Tochter?« sagte er. »Das ist mein Blut!«
»Und mein Sohn Kehat? Ist er auch im Haus, oder verkauft er Limonade im Basar, na?« antwortete Yonatan.
»Für einen Mann ist Mut Vorbedingung. Aber ein Mädchen, Moshe –«
»Wenn ihr euch streitet, gehe ich wieder weg!« sagte Amina energisch. »Wie zwei alte Hammel, die sich um ein Grasbüschel balgen!«
»Sie hat recht, alter Hammel –«, sagte Yonatan und setzte sich auf seinen Diwan. »Und hören Sie auf, Ihre Tochter abzulenken. Sie soll erzählen, ich nehme an, sie hat nicht viel Zeit. Vergessen Sie nicht, daß mein Sohn jetzt mehr in Gefahr ist als Ihre Tochter!«
»Er ist ein widerlicher Mensch!« Safar zeigte auf Yonatan. Aber er meinte es nicht so. »Er hat nur das Glück, einen Sohn zu haben, den du liebst. Erzähle, mein Augenlicht –«
Es war alles schnell berichtet, weil keiner Amina mehr unterbrach. Yonatan blickte versonnen aus dem Fenster und drehte sich erst um, als Amina schwieg. »Ich wußte gar nicht, was für einen Sohn ich habe«, sagte er leise. »Als er nach Köln zum Studium ging, erklärte er mir, daß ihn die Politik einen Dreck angehe. Und nun stellt er alles in den Schatten.«
»Die typische jüdische Hinterlist!« knurrte Safar.
»Vater!«
»Was du getan hast, Amina, ist Leichtsinn, bei allem Stolz, den ich empfinde. Warum bist du in dieses Haus gekommen?«
»Nur um dir zu sagen, daß ich Kehat liebe und nie von ihm weggehe! Und um dies zu sagen, daß es eine Gemeinheit ist, Kehats Vater zu entführen und ihn nach Preisgabe seiner Erfindung töten zu lassen. Um dir das zu sagen, war mir alles, was wir
Weitere Kostenlose Bücher