Liebe auf den ersten Biss
geöffnet, sie knallte ihm den Laden vor der Nase zu. Zehn Minuten, und das Loft war zwanzig Blocks weit weg.
Jody tänzelte die kleine Gasse entlang, die vorn bei ihrer alten Wohnung endete. Ihr blieben noch zwanzig Minuten bis zum Sonnenaufgang, aber sie konnte schon sehen, wie der Himmel aufhellte, und zwanzig Minuten waren knapp berechnet. Tommy würde ausflippen. Sie hätte das Handy mitnehmen sollen. Sie hätte ihn nicht mit der neuen Lakaiin allein lassen sollen.
Irgendwann hatte sie William gefunden, besinnungslos in einem Hauseingang in Chinatown, mit Chet, dem fetten Kater, auf der Brust. Von jetzt an durften sie William kein Geld mehr in die Hand geben, wenn er ihre Nahrungsquelle bleiben sollte. Sonst besorgte er sich den Alkohol nur woanders. Das funktionierte nicht. Sie ließ ihn allein nach Hause torkeln. Vielleicht würde sie ihn in der alten Wohnung unter die Dusche schicken. Die Kaution konnten sie sowieso abschreiben.
Oben in der Wohnung war noch Licht. Sehr gut. Tommy war zu Hause. Sie hatte vergessen, sich einen Schlüssel für die neue Wohnung zu besorgen. Eben wollte sie aus der Gasse treten, als sie eine Zigarre roch und eine Männerstimme hörte. Abrupt blieb sie stehen und spähte um die Ecke.
Ein brauner Ford parkte gegenüber ihrer alten Wohnung. Zwei Männer saßen darin. Cavuto und Rivera, die Detectives von der Mordkommission, mit denen sie einen Deal ausgehandelt hatte, in der Nacht, als Elijahs Jacht in die Luft geflogen war. Anscheinend waren sie gerade noch rechtzeitig umgezogen, aber andererseits … In die neue Wohnung konnte sie auch nicht. Die lag zwar nur einen halben Block entfernt, aber dafür musste sie raus auf die Straße. Und selbst wenn sie unbemerkt blieb: Was wäre, wenn dort abgeschlossen war?
Sie machte fast einen Salto rückwärts, als der Wecker an ihrer Armbanduhr losging.
Gegen Ende ihrer zweiten Safeway-Schicht waren die Barbaren endgültig ausgenüchtert. Lash saß allein auf dem breiten Rücksitz der Hummer-Limo, hielt seinen Kopf mit beiden Händen und hoffte inständig, dass seine überbordende Verzweiflung und Selbstverachtung nur dem Umstand zuzuschreiben war, dass er einen schlimmen Schädel hatte, und nicht dem, was es tatsächlich war: ein flammender Einlauf der Realität. Tatsache war, dass sie über eine halbe Million Dollar für eine blaue Nutte ausgegeben hatten. Diese Ungeheuerlichkeit schwappte in seinem Schädel herum, und er blickte zu den anderen Barbaren auf, die ähnlich trübsinnig in der Limo saßen und den Blickkontakt mieden. Heute Nacht waren zwei Sattelschlepper voll Ware einzuräumen gewesen, und sie hatten vorher gewusst, was auf sie zukommen würde, denn sie hatten das ganze Zeug geordert, um die Zeit nachzuholen, die sie weg gewesen waren. Clint hatte den Nachschub sträflich vernachlässigt. Also waren sie wieder nüchtern geworden, hatten in die Hände gespuckt und sich die Ware zugeworfen wie Barbaren auf dem Beutezug. Jetzt dämmerte der Morgen, und ihnen allen dämmerte, dass sie möglicherweise echt Scheiße gebaut hatten.
Lash riskierte einen Seitenblick auf Blue, die zwischen Barry und Troy Lee saß. Sie hatte Lashs Wohnung an der North Point Street übernommen, so dass er auf der Couch bei Troy Lee schlafen musste, wo ungefähr siebenhundert chinesische Verwandte wohnten, unter anderem Troys Großmutter. Jedes Mal, wenn Lash nach seiner Nachtschicht gerade eingeschlafen war, kam sie ins Zimmer und kreischte: »Was geht ab, Nigga?«, um ihn aufzuwecken und ihm ihre Hand hinzuhalten, damit er einschlug.
Lash hatte ihr erklärt, es sei unhöflich, einen Afroamerikaner als Nigger zu bezeichnen, es sei denn, man war selbst Afroamerikaner, als Troy Lee hereinkam und sagte: »Sie spricht nur Kantonesisch.«
»Von wegen. Dauernd kommt sie rein und sagt: ›Was geht ab, Nigga?‹«
»Ja, ja. Das macht sie bei mir auch. Hast du eingeschlagen, als sie dir die Hand hingehalten hat?«
»Nein, ich habe nicht eingeschlagen, Blödmann. Sie hat ›Nigga‹ zu mir gesagt.«
»Sie hört erst auf, wenn du einschlägst. So funktioniert sie einfach.«
»Was für ein Quatsch, Troy.«
»Es ist ihre Couch.«
Lash – erschöpft und verkatert – sah die grauhaarige Alte an und schlug ein.
Oma drehte sich zu Troy Lee um. »Was geht ab, Nigga?«, meinte sie, und auch ihr Enkel schlug ein.
»Ihr wollt mich doch verarschen«, sagte Lash.
»Schlaf lieber noch ein bisschen. Wir haben heute Abend eine Riesenladung vor
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