Liebe auf den zweiten Blick
drüben am Fenster. Er kniff die Augen zusammen. Es war ihm bewusst, dass Effie Dettenberg die Gerüchte über Amelia in die Welt gesetzt hatte, und das machte ihn höllisch wütend. Er schob die Hände in die Taschen, warf einen finsteren Blick hinüber und wünschte sich, sie wäre ein Mann.
Und dann kam ihm eine Idee. Bevor Amelia wusste, wie ihr geschah, gab er ihr ganz ruhig einen Abschiedskuss vor ihren Tanten und vor Effie Dettenberg.
Sie war so verblüfft von seiner Kühnheit, dass sie bloß lächelte, als er den Kuss beendete.
„Auf Wiedersehen, Amelia”, sagte er. „Miss Wilhemina, noch mal vielen Dank für die wunderbare Mahlzeit. Miss Rosemary, es war mir ein Vergnügen.”
Rosemary grinste. Sie starrte zur anderen Straßenseite hinüber und winkte Effie zu.
Wilhemina war schockiert. Sie erwiderte Tylers Kompliment mit einem Nicken, aber sein Verhalten war ihr peinlich. Sie war nur froh, dass er wie ein Gentleman vorher erklärt hatte, welche Absichten er hatte. Er hatte von Anfang an kein Hehl aus seinen Gefühlen für Amelia gemacht. Sie schnaubte. Zwar mochte sie Männer nicht besonders, aber wenn schon einer in Amelias Nähe sein musste, dann war Tyler Savage wohl so gut wie jeder andere. Sie sah zur anderen Straßenseite hinüber und stellte fest, dass Effie Dettenberg verschwunden war.
Amelias Gesicht glühte, und ihr Herzschlag ging unregelmäßig. Inzwischen war ihr
bewusst, dass sie in Tyler verliebt war. Es gab keine Macht der Welt, die sie von diesem Mann fern halten konnte. Nun nicht mehr. Nicht, nachdem er sie vor ihren Tanten und Effie Dettenberg geküsst hatte.
Das war eine Botschaft. Nun lag es an ihr, was sie daraus machte. Tylers Absichten waren eindeutig.
Amelia sah ihm nach, als er ging, und plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihn nicht einfach so gehen lassen konnte.
„Tyler!”
Er blieb stehen und drehte sich um. Es überraschte ihn, dass sie bereit war, mit ihm zu sprechen, nachdem er sie gerade so öffentlich geküsst hatte. Egal wie sehr sie sich danach sehnte, auszubrechen, sie hatte großen Respekt vor den Moralbegriffen ihrer Tanten.
„Es war ein wundervoller Tag mit dir.” Er lächelte. „Es war mir ein Vergnügen, Amelia.”
Amelia erinnerte sich daran, wie er sie gestreichelt und ge-küsst hatte, und dachte, dass sie ebenfalls eine Menge Vergnügen gehabt hatte.
Als Amelia auf den Parkplatz des Supermarktes fuhr, sah sie, wie Raelene Stringer mit zwei großen Tüten voller Lebensmittel kämpfte. Raelenes Auto war nirgendwo zu sehen.
Möglicherweise hatte es nun endgültig den Geist aufgegeben.
Amelia sprang aus ihrem Wagen und schnappte sich eine von Raelenes Tüten,
unmittelbar bevor sie herunterfallen konnte. „Sieht so aus, als hättest du Probleme.”
Raelene grinste. „Ich hab Probleme? Es überrascht mich, dass du überhaupt den Mut hast, in aller Öffentlichkeit mit mir zu reden. Ich habe Dinge über dich gehört, die die Gerüchte über mich weit in den Schatten stellen.”
Amelia sah sie gespielt böse an. „Wenn du den Mund hältst, fahre ich dich nach Hause.
Was ist mit deinem Wagen passiert?”
Raelene seufzte vor Erleichterung, als Amelia ihr half, die Lebensmittel in den Kofferraum zu packen. Dann setzte sie sich auf den Beifahrersitz und wischte sich über die Stirn. „Mein Wagen müsste heute Abend repariert sein. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du mich fährst.”
„Ich weiß es auch zu schätzen, dass du mich immer mitgenommen hast”, sagte Amelia.
„Und ich schätze unsere Freundschaft und die Loyalität und …”
„Das ist doch nicht der Rede wert”, wehrte Raelene verlegen ab. „Ich habe doch gar nichts getan.”
„Nein, nicht viel”, spottete Amelia. „Du bist einfach nur meine Freundin geblieben. Das haben die braven Bürger von Tulip nicht geschafft.” Es war offensichtlich, dass sie verbittert war.
„War es so schlimm?” fragte Raelene.
Amelia verdrehte die Augen. „Ungefähr so wie im Bürgerkrieg.”
Raelene grinste. „Wenigstens hast du deinen Sinn für Humor nicht verloren. Und wie ich gehört habe, hast du Tyler ebenfalls nicht verloren.” Sie kicherte, als Amelia in ihrer Einfahrt parkte. „Wie hat er die Neuigkeit aufgenommen?”
„Ich habe es ihm noch nicht gesagt”, antwortete Amelia schuldbewusst. „Aber das werde ich”, sagte sie, als Raelene sie ungläubig ansah. „Sobald ich es irgendwie in die Unterhaltung einflechten kann, werde ich das tun. Das schwöre
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