Liebe in groben Zügen
kam, noch nass vom Duschen, stand Bühl schon da mit einem Handtuch, und sie legte die Arme um seinen Hals, und er hüllte sie ein in das Handtuch und rieb sie trocken, am Rücken, an den Beinen, am Bauch, überall, und führte sie dabei zum Bett, in Bewegungen, die sie mitmachte wie einen Tanz, bis sie eingehüllt dalag. Dann schlug er das Handtuch auf und streichelte sie noch einmal, von den Zehen und Fersen über die Schamlippen bis zu den Achseln und Ohren, auf der Bettkante sitzend. Er schloss ihre noch offene Haut an jeder Stelle, bis es gut war und sie sich anziehen konnte, imstande, das Zimmer und das Hotel zu verlassen. Sie konnte durch den Ort laufen, die Arme pendelnd, den Kopf leicht im Nacken, und die Besitzerinnen der kleinen Schmuck- und Modeläden grüßen, ihre Schwestern, die schon mit Zigarette im Mund die Rollgitter herunterließen; sie konnte die befahrene Straße überqueren und bergan gehen, so sehr beachtet und erkannt, dass sie sich selbst mochte, wenn sie durch den Hohlweg ging, nah an der Steinmauer mit ihren Fossilien, älter als jedes Verlangen, und in der Mittagsstille das Haus erreichte, noch immer erfüllt, man nenne ihr ein besseres Wort: so erfüllt, dass sie auf der Treppe zum Garten ans Geländer griff, sich dort hielt bei jeder Stufe, während die letzte Spur einer Stunde, die es auf keiner Uhr gab, warm aus ihr herauslief. Wo bleibst du? Ein Renzruf vom Bett aus, gibt es dich noch, kann ich noch rechnen mit dir, und sie stellte das Wasser ab, machte das Licht wieder an und drückte die Klospülung.
*
XXII
DER See in seiner Atempause vor dem Herbst, weit und unbewegt – kaum vorstellbar, wie er mit windgepeitschten Wellen bald alle Boote vertreibt und dicke Uferkiesel ins Rollen bringt; eine Ruhe, die mit Bangen erfüllt, je näher sie an den Oktober reicht, wie der zu lange Balanceakt, den man erst bestaunt und irgendwann kaum noch mit ansehen kann.
Vila und Renz, das erfahrene Paar, das jetzt zu viel über sich weiß – mit nur einer Pause sind sie von Assisi an ihren See gefahren, ein perfekter Spätsommertag. Auch der Abend ist noch mild, also sitzen sie nach einem Teller Tortellini mit Sahne (das Not-Essen) auf der Terrasse, Renz schon wieder mit einem Grappa, sein Fieber um die achtunddreißig, Vila mit Wörterbuch, Block und Stift. Sie sprechen nicht mehr als nötig, eine Fortsetzung der Autofahrt, da ging es nur einmal um Katrin, wie eigen sie sei, einfach weiterzuforschen an ihren Flussindianern, obwohl in dem künftigen Stausee doch alles untergehen wird; und dann die Frage, was tun, wenn es keinen Grund mehr gab, gleich nach Frankfurt zu fahren, um Katrin noch zu treffen. Am See bleiben, den Garten winterfest machen? Ein Krankenbesuch in Verona, danach eventuell Turin und Rückfahrt über die Schweiz, das Aostatal, jeder mit seinen Ideen, ansonsten Musik aus der teuren Anlage, Paolo Conte, Miles Davis, Bach, Unstrittiges, dazwischen auch Femmena, Vilas Wunsch – sie hat eine Strophe mitgeschrieben, nun will sie den Dialekt knacken, darum das Wörterbuch. Und was erzählen wir morgen der Polizei? Was wissen wir, was wissen wir nicht? Beim Nachschlagen eines Worts, Infamitá, kommt diese Frage von ihr, und Renz stemmt sich aus der Liege. Die Waffe ist ein Erbstück mit dem Namen meines Vaters, ich ging davon aus, dass alle Patronen kaputt seien. Oder wir wissen gar nichts von einer Waffe. Oder wissen, dass es nur einen gibt, der wusste, wo sie versteckt war, wollen wir das erzählen, oder was willst du? Willst du Wein? Renz tritt ins Haus und geht nach oben, er nimmt sich vor, endlich ein Geländer an die Innentreppe zu legen. Aus seinem Rotweinschrank holt er eine Flasche Terre Brune, beim Hinuntergehen stützt er sich an der Wand ab, darin Risse wie Greisenfalten – alles wiederholt sich, die Gänge, die Vergleiche, die Weine. Er öffnet die Flasche und schenkt ein, Jeder noch ein Glas? Und Vila sagt: Man kann bloß vermuten, wer die Waffe genommen hat, man weiß es nicht.
Sie trinkt von dem Wein, ausgestreckt auf ihrer Liege, im Schoß neben dem Wörterbuch auch ein richtiges Buch, noch immer Rot und Schwarz, ein langer Roman. Du willst ihn nur schützen, sagt Renz. Willst du das, ja, bist du verrückt nach ihm, oder was ist mit dir? Er legt sich auf die Liege neben ihrer Liege, das volle Glas in der Hand, und sie nimmt sich das Buch mit dem schönen Einband und versucht, dort weiterzulesen, wo sie im Auto aufgehört hat – sie will ihm nicht antworten, sie
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