Liebe in groben Zügen

ein niederer Himmel, der See wie altes Glas, darauf nur die Fähren zwischen Maderno und Torri, ihr ewiges Aneinander-Vorbeifahren auf halber Strecke. Vila setzt Teewasser auf, sie legt die Hände an den Kocher und geht mit warmen Händen ins Bad, sie wäscht sich das Haar für die Polizei. Zuletzt war sie als Schülerin auf einer Wache, sie hatte eine LP geklaut, Roxy Music, der Beamte ließ sie laufen, Tu das nie wieder! Man muss sehr erwachsen sein, damit man versteht, dass einer ganz anders ist als man selbst. Renz kommt herunter, sie winken sich zu, er läuft auf die Terrasse, sein Blick nach dem Wetter. Anschließend hilft er beim Frühstückmachen, er deckt Teller und Tassen, Messer und Löffel und hat ein Auge auf die Brötchen im Herd. Das Gespräch mit dem Leiter der Carabinieri ist erst um elf, also ein Frühstück ohne Eile, beide im Bademantel. Die Panini sind vom Vortag, aufgewärmt schmecken sie frisch; ihr reicht eins mit Käse, Renz isst immer zwei, das zweite mit Honig. Wir sollten das Haus verkaufen, sagt er nach dem Honigbrötchen. Er trinkt seinen Tee und stellt die Tasse ab. Jeder kann dann tun, was er will.
    Unser Haus?
    Vila sieht nach draußen, auf den Rasen, der noch gemäht werden muss, bevor sie abfahren. Soll ich dir einschenken? Sie will etwas Gewohntes tun, nach der Kanne greifen, Renz’ Tasse füllen, den Tag angehen, aber dann greift sie nach seiner Hand, fast so ungeschützt wie beim ersten Mal.
    ***

1. Auflage 2012
Im fünfundzwanzigsten Jahr der FVA
© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main 2012
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung und Umschlaggestaltung: Laura J Gerlach
Umschlagmotiv: © Laura Letinsky
Satz und eBook: psb, Berlin
ISBN: 978-3-627-02187-0