Liebe in Zartbitter
y e r“, flüstere ich vor mich hin. Klingt wirklich fast wie Helene Bauer.
Wer mag sie sein? So viel jedenfalls ist sicher: Ich bin es nicht, auf die der attraktive Monsieur de Marville gewartet hat.
Schade, sehr schade. Unvermittelt habe ich den Geschmack von zarter, bitterer Schokolade auf der Zunge. Ein untrügliches Zeichen!
Lena, sieh zu, dass du hier ganz schnell wieder verschwindest, befehle ich mir, sonst verlierst du den Kopf und es gibt eine Katastrophe. Vielleicht sogar eine internationale Verwickelung.
XIV.
Nun ist es schon fünfunddreißig Minuten her, seit André de Marville sich für eine halbe Stunde verabschiedet hat.
Besorgt blickt der Assistent zur Tür des kleinen Büros. Dauernd sind Schritte vom Flur zu vernehmen, doch niemand bleibt stehen, drückt die Klinke herunter und tritt ein.
Ganze 300 Sekunden ist sein Chef jetzt zu spät dran. Das hat es, solange er denken kann, noch nicht gegeben. Da muss etwas passiert sein.
Bevor er sich entschließen kann, den Politiker auf seinem Dienst-Handy anzurufen, reißt dieser die Bürotür auf und schiebt eine junge Frau in den Raum.
Donnerwetter, ist die hübsch, konstatiert der Assistent für sich. Wenn das die angekündigte Mitarbeiterin aus dem Bundesfinanzministerium ist, alle Achtung. Eine Frau, die tagtäglich mit nüchternen Zahlen hantiert und jongliert, hat er sich ganz anders vorgestellt. Ältlich, streng und sachlich - ein bisschen wie die deutsche Kanzlerin. Doch die da wäre genau seine Kragenweite.
Er mustert seinen Chef mit verstohlenem Blick. Der scheint gar nicht bemerkt zu haben, wie attraktiv diese junge Deutsche ist, sondern redet geschäftsmäßig auf sie ein.
„Kommen Sie, beeilen wir uns. Ich zeige Ihnen zunächst den Tagungsraum und mache Sie mit der Technik vertraut. Danach besprechen wir den Ablauf der Anhörung mit der Chef-Koordinatorin. Vielleicht erläutern Sie mir später die Schwerpunkte Ihres Vortrags, Mademoiselle Boyer“, hört er de Marville ungeduldig sagen.
So ein Stockfisch. Nicht mal auf einen Kaffee, der für Gäste immer bereitgehalten wird, lädt er die junge Dame ein, denkt der Assistent. Mit der hätte er gern ein wenig geplaudert. Dabei fällt ihm ein, dass der Politiker bereits in einer halben Stunde zur geschäftsführenden Direktorin des IWF bestellt ist. Bis dahin kann er unmöglich mit allen Absprachen durch sein. Vielleicht würde die hübsche Mademoiselle dann bei ihm im Büro warten, bis de Marville von dort zurück ist.
Bevor die beiden den Raum verlassen, bietet er es rasch an. Als sie ihm daraufhin mit einem Lächeln zunickt, kann er sich nicht zurückhalten, ihr einen bewundernden Blick zuzuwerfen.
„Das wird nicht nötig sein!“
Das Stirnrunzeln seines Chefs und die unverhohlene Ablehnung, die in dessen Worten liegt, lassen ihn stutzen. Galt das ihm oder ihr?
Als die beiden hinaus sind, greift er zum Telefon. Er muss seinem Kollegen, der für einen belgischen Abgeordneten arbeitet, brühwarm von dem unglaublichen Vorfall – de Marvilles Verspätung – berichten.
„Halb so schlimm, Mademoiselle“, konstatiert der Arzt, den Carlo nach seinem Dienstantritt schließlich gerufen hat. „Nur eine kleine Verstauchung. Das Kühlen war richtig, es hat bereits Wirkung gezeigt, die Schwellung ist zurückgegangen. Wenn ich Ihnen einen festen Verband anlege, dürfen Sie sogar schon wieder laufen. Aber bitte übertreiben Sie es nicht“, empfiehlt er und packt sein Instrumentarium zusammen.
„Ja, ja, unser berühmt-berüchtigtes Pflaster“, murmelt er, während er der Patientin die Hand reicht. – Von dem Überfall hat sie weder Carlos noch ihm erzählt.
„Wenn der Fuß erneut anschwillt oder Sie Schmerzen bekommen, soll das Hotel mich informieren. Aber ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.“
Das hofft auch Elena Boyer.
Kaum ist der Arzt zur Tür hinaus, erhebt sie sich von der Ottomane und versucht, vorsichtig aufzutreten. Als es ohne Schmerz gelingt, atmet sie erleichtert auf und humpelt zum Garderobenschrank. Jetzt sind vor allem die Schuhe das Problem. In den linken der bevorzugten hochhackigen kommt sie wegen des Verbandes nicht hinein. Gereizt probiert sie ein Paar nach dem anderen an. Das letzte endlich passt. Prüfend geht sie mit den flachen dunkelgrauen Sommerstiefeletten im Zimmer auf und ab. In denen kann sie sich unauffällig bewegen. Der hohe Schuh stützt den lädierten Knöchel und verbirgt die Bandage.
Die junge Frau schaut auf die
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