Liebe in Zartbitter
abkühlt puste ich, nippe, puste erneut und hänge dabei meinen Gedanken nach.
Also Lena, jetzt hast du die Chance Jerome ganz unauffällig näherzukommen. Nutze sie!
Irgendwie schmecke ich plötzlich das Aroma von zart schmelzender Schokolade auf der Zunge. Ich lecke mir die Lippen, schlucke dann jedoch skeptisch.
Mit meinem Kommilitonen Bernhard, dem aufregendsten Mann meines Studienganges, hat es auch so begonnen, sich jedoch bald als geschmacklicher Fehlgriff herausgestellt. Der Typ hat mich bloß ausnutzt. ‚Lena, kannst du mir bei der Klausurvorbereitung helfen? Lena, ich brauche eine Ausarbeitung für mein Referat!‘ Und ich dumme Nuss habe für ihn bis in die Nacht gebüffelt und mich dafür mit ein paar Küssen und einer Einladung ins Eiscafé begnügt. – Aus und vorbei! Sein Bild steht schon seit einigen Wochen nicht mehr auf meinem Nachttisch. Genaugenommen, seit ich Jerome bei Sabine getroffen habe, als der sich die Unterlagen für eine Paris-Tour abgeholt hat.
Kaum zu glauben, dass wir seit Jahren zusammen in Potsdam studieren – ich Germanistik, er Philosophie – und ich ihn nicht bemerkt habe. Jerome, der Lustige, der Charmante. Für den könnte ich vielleicht die Frau fürs Leben werden.
Im Schrankfenster betrachte ich meine kupferblonde Kurzhaarfrisur mit den blonden Strähnchen, die vorwitzigen Sommersprossen um die Nase herum, und finde mich gar nicht so übel. Andere übrigens auch nicht, aber ich habe meine Prinzipien. Wer mir imponieren will, muss zumindest etwas Besonderes an sich haben. Wie Jerome.
Ich trinke den Tee aus und stelle die Tasse in die Spüle. Es bleibt fast eine ganze Woche Zeit, zu erforschen, ob er meinen Ansprüchen genügt. Wenn nicht, dann nicht – es gibt schließlich genügend interessante Männer auf der Welt. Aber einen Versuch ist er mir allemal wert.
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen unternehme ich den nächsten Schritt, rufe die Sektionsassistentin an, bitte sie, mich für die morgige Vorlesung zu entschuldigen.
„Ich habe mir eine Angina eingefangen“, flüstere ich, bemüht meine Stimme rau und kratzig klingen zu lassen. „Ich fahre nach Hause zu meinen Eltern, um mich auszukurieren, aber bis zum Seminar in ein paar Tagen bin ich hoffentlich wieder fit.“
Es hat wohl leidend genug geklungen. Sie wünscht mir gute Besserung. Ich lege auf.
Es ist vollbracht, alle Hindernisse sind beseitigt – Brüssel ich komme!
II.
Die zierliche Blondine zieht eine Grimasse, die ihr hübsches Gesicht verunstaltet, und deutet auf den Schreibtisch, der mit aufgeschlagenen Büchern und jeder Menge Papier bedeckt ist.
„Schon wieder die Euro-Krise. Und diesmal bin ich verdonnert worden, selbst nach Brüssel zu reisen und vor den Fachleuten zu referieren. Kann das Finanzministerium nicht jemand anderen schicken? Ich habe das Thema in den vergangenen Monaten so oft durchgekaut, dass es mir zum Halse heraushängt! Und was kann ich schon bewirken? Die meisten meiner Argumente wird der Ausschuss, trotz der brandneuen Zahlen, ungerührt zur Kenntnis nehmen oder einfach ignorieren. Und dafür der ganze Aufwand hier.“
Mit ihrer kleinen, zur Faust geballten Hand schlägt sie unwillig auf einen beachtlichen Stapel Manuskripte. Er rutscht auseinander und ein Teil der Blätter flattert auf den Fußboden.
„Beruhige dich, Schatz. Es ist nicht zu ändern. Es sei denn, du spielst mit dem Gedanken, deinen Job an den Nagel hängen.“
Der gutaussehende Mann, der eben noch besänftigend ihren Rücken gestreichelt hat, bückt sich, hebt die Aufzeichnungen auf und legt sie zurück auf den Schreibtisch.
„Sieh es doch positiv. Das Referat ist schnell gehalten und dann hast du Zeit, die netten kleinen Boutiquen in der Stadt unsicher zu machen.“
Ihre Laune scheint diese Aussicht nicht wesentlich zu verbessern. „Dazu muss ich nicht ausgerechnet nach Belgien fliegen. Rom oder Paris wären geeigneter.“
Einer plötzlichen Eingebung folgend, schmiegt sie ihren Kopf an seinen Arm.
„Ach, Pascha, wenn du mich wenigstens begleiten könntest, würde ich diese leidige Konferenz viel leichter ertragen. Aber so?“, schmollt die Blondine und sieht mit einem langem Blick ihrer wasserblauen Augen zu ihm auf.
„Ich habe dir schon erklärt, warum das nicht geht.“
„Wenn du mich liebst, versuchst du es trotzdem… Wenigstens für einen Tag“, bettelt sie nun wie ein kleines Mädchen, das unbedingt seinen Kopf durchsetzen will.
Der Mann zieht sie von ihren Stuhl
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