Liebe in Zartbitter
hoch und nimmt sie in seine Arme. „Sei doch vernünftig, Liebes. Ich habe Pieter versprochen, ihn auf einer Tour zu begleiten und kann jetzt nicht einfach absagen. Ein Mann, ein Wort.“
Es klingt endgültig. Sie weiß das, und eigentlich gefällt es ihr ja auch, dass ihr Verlobter ein Mann mit Prinzipien ist.
Sie seufzt zum Stein erweichen, er schiebt seinen angewinkelten Zeigefinger unter ihr Kinn und drückt es sanft nach oben. Als sie den Kopf hebt, küsst er sie auf die dezent geschminkten Lippen.
„Nun komm‘ mit dem Vortrag zum Ende, meine Kleine, damit wir wenigstens den Abend für uns haben.“
Gehorsam löst sie sich aus seinen Armen und wendet sich erneut ihren Unterlagen zu. Er streicht ihr übers Haar und verlässt dann auf Zehenspitzen das Zimmer.
III.
Mit einem unterdrückten Gähnen ziehe ich meinen Trolley-Koffer über die Bussteige am ZOB. Die Nacht war viel zu kurz, und vor Aufregung habe ich die meiste Zeit wach gelegen. Naja, gleich, wenn wir abgefahren sind, werde ich Kaffee kochen – und den vielleicht ein bisschen stärker als gewöhnlich.
Ich halte nach dem Reisebus Ausschau. Mal sehen, wer die Tour übernommen hat. Von einem tüchtigen Fahrer, der die Strecke kennt, flexibel ist und sich weder durch Staus noch die vielen kleinen Sonderwünsche der Touristen aus der Ruhe bringen lässt, hängt in großem Maße das Reiseklima ab. Ich kenne einige von ihnen, komme mit allen aus, habe aber ein, zwei Fahrer, mit denen ich besonders gern auf Tour bin.
„Hallo, Kleene! Hierher!“
Von weitem winkt mir Fritze Seelig zu.
„Bin schon da!“
Ich beschleunige meine Schritte und eile mit einem Lachen auf ihn zu. Nun kann nichts mehr schief gehen. Mit Fritze an Bord wird die Fahrt ein Kinderspiel.
Fritze, Jerome und ich! Kann es so viel Glück überhaupt geben?
Kaum habe ich den Trolley abgesetzt, da umarmt mich der gemütliche Fritze und drückt mich an seinen umfangreichen Bierbauch.
„Schön, Kleene, det wir wieder zusammen starten. Bist doch Vatas Beste!“
Das sehe ich genauso. Mit einem Kichern mache ich mich los. Gleich müssten die ersten Passagiere eintreffen. Ein Blick in die Teilnehmerliste sagt mir, dass der Bus nicht voll sein wird. Zweiunddreißig Personen, das ist überschaubar. Da kann der eine oder andere für eine Weile separat sitzen, um die Beine auszustrecken. Ich nehme mir vor, gleich zwei Reihen dafür zu reservieren. Zehn Stunden im Bus können trotz der Pausen sehr anstrengend werden. Besonders ältere Leute haben Probleme mit dem langen Sitzen.
Fritze öffnet die Türen. Ich steige ein.
Auf dem Beifahrersitz liegt ein Notebook, über der Lehne hängt ein Jackett. Also ist Jerome schon da und hat sich augenscheinlich fein gemacht.
Fritze ist mein Strahlen nicht entgangen.
„Wat freuste dir denn so?“, fragt er. Trotz aller Neugier kann man sich auf seine Verschwiegenheit verlassen. Also verrate ich ihm, dass ich für meinen Begleiter schwärme und ihn auf der Fahrt etwas beschnuppern will.
Seine Reaktion überrascht mich.
„Ne, Kleene, det kann nich sein. Bisher haste noch nie Anzeichen von Jeschmacksverirrung jezeicht.“
Er schüttelt ungläubig den Kopf. „So’n Etepetete-Knilch in Schlips und Kragen... ne, so eener passt nich zu dir.“
Ich stutze. Auf Fritzes Menschenkenntnis kann man sich eigentlich verlassen. Aber hier liegt er völlig schief.
Jerome etepetete? Ich finde es gut, dass er Jeans und Pullover in den Koffer gepackt und sich in Schale geschmissen hat. – Natürlich für mich!
Während Fritze weiter vor sich hin brubbelt, steuern die ersten Fahrgäste auf den Bus zu. Die Arbeit beginnt. Ich hake die Namen von der Liste ab und nenne die Platznummern. Fritze verstaut derweil das Gepäck im Bauch des Reisebusses.
„Lassen Sie mich bitte durch!“ höre ich plötzlich eine autoritär klingende Stimme am Ende der Schlange. Gleich darauf steht ein Mann neben mir und starrt mich ungläubig an. Er scheint selbst zu bemerken, wie peinlich das ist, denn ohne ein Wort zu sagen nickt er mir flüchtig zu, steigt in den Bus, nimmt das Notebook an sich und setzt sich auf den Beifahrersitz.
Verblüfft schaue ich hinter ihm her.
Es ist nicht Jerome. Auch keiner von den anderen Reisebegleitern, mit denen ich schon unterwegs gewesen bin. Obwohl es häufig Neueinsteiger gibt, weil die meist nicht allzu lange bleiben, an dieses Gesicht kann ich mich überhaupt nicht erinnern.
Ein leichter Schreck durchzuckt mich. Sollte sich etwa einer der
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