Liebe Ist Finsternis
vorstellen, als Racheengel, der mit einem mühelosen Hieb töten konnte. Seine Narben waren faszinierend, vermenschlichend, den Makel zu seiner Perfektion beitragend, da er an seine ehemalige Menschlichkeit erinnerte. Sein vampirisch gutes Aussehen war fast streng in seiner Außerweltlichkeit, einschüchternd, während die Narben ihn zerbrechlich, zugänglich erscheinen ließen.
Fehlbar .
Val bemerkte, was sie tat, und riss ihre Hand von seiner weg, um sie unter dem Tisch zu verbergen. Er beobachtete sie fast zaghaft.
Sicher, der große böse Wolf hat Angst vor Rotkäppchen .
„Ich achte sehr darauf, die Tötungen in Grenzen zu halten. Vampire haben Ernährungspartner, was etwas Stabilität gewährleistet und den Verlust von Leben minimal hält. Wir gehen Verbindungen mit Sterblichen ein, genauso wie Sterbliche das untereinander tun. Sich woanders Blut zu beschaffen kann sogar ein Affront gegen die Beziehung sein, wenn die Verbindung stark genug ist.“
Was zum Teufel ? „Woher kam das denn? Du stellst das hin, als hätte es mit einer Art von, was, Liebe zu tun? Ebenbürtigkeit? Ich habe gesehen, was Vampire ihren Opfern antun. Ich weiß wie sie... essen. Wenn du denkst, dass Vampire so sind, dann ist es kein Wunder, dass du so einen beschissenen Job bei ihrer Überwachung machst.“ Ihr Herz begann zu hämmern. Was zum Teufel war bloß los mit ihr? Wollte sie sterben? Es konnte auf keinen Fall eine gute Idee sein, es zu übertreiben.
„Du bist die Tochter eines Jägers und daher siehst du Vampire nur von ihrer schlechtesten Seite, wenn sie sich so übel benommen haben, dass die Welt davon Notiz nimmt. Warum solltest du annehmen, dass es auch gütiger geht?“
Val schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen, Abstand von ihren Gefühlen zu bekommen, so dass sie ihn nicht weiter provozieren würde. „Kann ich mich einfach, sehr aufrichtig, dafür entschuldigen, dass ich Dinge sage, die... schlecht für meine Lebenserwartung sind. Ich habe keine Ahnung , warum ich nicht einfach die Schnauze halten kann.“
Er war still, und als sie schließlich die Augen öffnete, sah sie, dass er sie mit fast neugieriger Faszination beobachtete. „Sorge dich nicht, es liegt in deiner Natur, zu provozieren.“
Hmm. Vielleicht kennt er mich tatsächlich . „Steht mir das auch ins Gesicht geschrieben?“, sagte sie sarkastisch.
Lucas blinzelte langsam und trommelte dann mit den Fingern auf den Tisch.
In der Nacht vor langer Zeit, als er sie gerettet und gezwungen hatte, den angreifenden Vampir zu töten, hatte er gesagt, er würde sie nicht töten; vielleicht hatte er sogar gesagt, er würde ihr nie Leid zufügen. Sie konnte sich nicht erinnern. Nicht, ob er es tatsächlich gesagt hatte oder bloß angedeutet oder ob sie sich das alles nur eingebildet hatte.
Aber in ihrer Vorstellung von ihm würde der goldene Vampir, der sie gerettet hatte, ihr nie wehtun. Darauf vertraute sie so sehr, wie sie den Nachrichten des National Enquirer vertraute und trotzdem... Scheiße.
Seine Hand strich in einer sanften und geistesabwesenden Geste über die karierte Tischdecke, als ob er Brotkrümel von sich weg wischte. Es war eine merkwürdig menschliche Geste, aber sie nahm an, dass er wütend war, dass es umso beunruhigender für denjenigen war, der ihn angepisst hatte, je sanfter er wurde.
Lucas seufzte und abermals war es eine überraschend menschliche Geste.
„Es gab eine Zeit, zu der die Dinge anders waren. Es gab eine Balance in der Welt. Es gab Andere. Nicht nur Vampire, sondern Werwölfe, Fey, Hexen, Empathen— sie waren alle real. Alle mächtig. Wenn eine Gruppe zu blutrünstig oder mächtig wurde, konnten die anderen sich lange genug vereinen, um die Balance wiederherzustellen.“ Es verging ein langer Moment.
„Es sind nur noch Vampire übrig, und ich beherrsche sie alle.“ Sein Tonfall wies keine Veränderungen auf, er gab lediglich Fakten wieder, und das Ausmaß seiner Distanziertheit ließ sie eine Gänsehaut auf den Armen bekommen. Es war wirklich unheimlich.
„Vampire haben sich verändert. Sind finsterer geworden. Die Menschlichkeit ist aus ihnen heraus gesickert, Verfechter von gar nichts. Es gibt keine Balance mehr.“
„Rückschau kann ganz schön beschissen sein.“
Er zuckte mit den Schultern.
Lucas wendete den Kopf ab, um nach draußen zu sehen. Menschen liefen auf der Straße vorüber, telefonierten mit ihren Handys und trugen Einkaufstaschen.
Ein Sonnenstrahl fiel auf seine gemeißelten
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