Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
betrachten. Er schien es nicht zu merken. »Aber es kann immer nur einer ins Wasser gehen, weil der andere das Boot ausbalancieren muss, wenn man wieder hineinklettern möchte.«
»Oh«, sagte ich und hätte beinahe die Nase gerümpft. Was für einen Sinn machte es denn, wenn wir noch nicht einmal zusammen schwimmen konnten? »Okay.« Ich sah gerade ins Wasser, als er mit einem so perfekten Kopfsprung hineinsprang, dass das Wasser sich kaum kräuselte. Einen Moment verharrte er wassertretend auf der Stelle und blickte so nachdenklich zum Ufer, als wollte er es später malen. Als er wieder an Bord kam, schaukelte das Boot noch nicht einmal. Er rieb sich das Wasser aus den Augen und meinte: »Du bist dran.«
»Okay.« Ich reichte ihm seine Sonnenbrille und schlüpfte aus dem geblümten Hemdkleid, das ich in Mailand gekauft hatte. Eigentlich wollte ich genauso anmutig wie er ins Wasser springen, aber ich rutschte aus und landete mit den Armen rudernd im See. Als ich nach Luft ringend wieder auftauchte, Wasser aus jeder Öffnung spuckte und mir die Haare aus dem Gesicht strich, betete ich, dass er sich kaputtlachen würde. Aber er blickte nur in die Ferne und tat so, als hätte er nichts gesehen.
Anschließend versuchte ich mich ins Boot zu hangeln, was eine schlüpfrige Angelegenheit war. Als ich mich hochhievte, spürte ich auf einmal einen Luftzug an einer unwillkommenen Stelle. Meine Bikinihose war heruntergerutscht, und mein Hintern blitzte hervor. Na, wie passend! Meine Großmutter wäre gestorben, wenn sie mich so gesehen hätte!
Chris allerdings tat so, als merke er nichts, was wahrscheinlich daran lag, dass er das Boot mit aller Kraft in der Balance halten musste. Ich zerrte an meinem Bikinihöschen und versuchte währenddessen, mein Bein aufs Deck zu schwingen. Als ich endlich wieder im Boot war, meinte Chris, er habe eine Sitzung und käme zu spät. Er legte sich auf den Bauch in den Bug und paddelte uns an Land. Hastig begleitete er mich zum Auto, öffnete die Tür und winkte schon, als ich noch dabei war, die Tür zu schließen. Ich hatte es verstanden: Es gab keine Umarmung mehr, ganz zu schweigen von dem Kuss, den er mir erst drei Tage zuvor gegeben hatte.
Jedes Mal wenn wir uns ein bisschen näherkamen, folgte unweigerlich ein peinlicher Rückschritt … und ich war es langsam leid, mir die ganze Zeit über so albern vorzukommen. Ich hatte mich zwar daran gewöhnt, flexibel auf seine Termine zu reagieren, aber ihn als Mann kennenzulernen, war schwierig. Warum war er bloß in manchen Momenten so aufmerksam und in anderen so distanziert?
Noch seltsamer war meine Reaktion auf ihn. Zum ersten Mal spürte ich nicht das Verlangen, ihm meine Zuneigung zu gestehen. Ich mochte ihn, aber ich wollte es gerne für mich behalten … zumindest bis er sich ein bisschen mehr öffnete, was nach der vierten Verabredung immer noch genauso unwahrscheinlich erschien wie nach dem zweiten katastrophalen Treffen. Meine Freundin Joy studiert Medizin. Sie ist der festen Überzeugung, dass man sich Hilfe suchen sollte, wenn eine kleine Wunde immer größer wird, anstatt zu heilen. Ich bin da völlig ihrer Meinung, zumal Joys Theorie auch auf Herzensangelegenheiten angewendet werden kann.
»Grandma, ich hatte das Gefühl, in meinen Beziehungen ändert sich etwas, so als ob ich endlich die Tür zum Leben der Erwachsenen geöffnet hätte. Aber die Tür wird mir ständig vor der Nase zugeschlagen.«
Vor Grandmas Füßen steht eine Metallplattform mit zwei kleinen Pedalen, wie der untere Teil eines Standfahrrads. Sie schiebt die Füße in die Schlaufen, damit sie trainieren kann, während wir reden. »Männer sind nicht immer leicht zu verstehen.« Sie ist der Ansicht, ein Mann sei zufrieden, wenn das Abendessen auf dem Tisch steht und er eine heiße Frau im Arm hält. »Die Welt verlangt viel von Männern, und sie lassen es sich zwar nicht anmerken, aber sie haben echte Bedürfnisse.«
»Grandma, ich habe Bedürfnisse. Ich brauche einen Mann, der lacht, wenn ich von seinem Segelboot falle. Ich brauche jemanden, der mir sein Interesse zeigt, indem er mich küsst. Ich will nicht jemandem gegenübersitzen und mich fragen, ob seine Nase schon immer so perfekt war. Ich möchte jemanden, der auch mal mit einer Schachtel Chicken McNuggets und einem Bier zufrieden ist. Weißt du?«
»Ja, natürlich weiß ich das.« Sie tritt langsamer, um wieder zu Atem zu kommen. »Aber wenn du wirklich jemanden finden willst, der dich liebt, dann
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