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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Gasbarre
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reicht mir eine glänzende Holzpfeife mit einem perfekt geformten runden Kopf.
    »Ja, tatsächlich«, sage ich. Er hat am Pfeifenhals zahlreiche Zahnabdrücke hinterlassen. »Oh, Grandma!« Ich stemme die Hand in die Hüfte, als hätten wir gerade Grandpa bei etwas erwischt, das er nicht durfte. »Da ist ja noch Tabak drin!« Wir lachen beide. Der zu Asche verglühte Tabak gibt uns das Gefühl, Grandpa hätte erst gestern geraucht. Ich halte die Pfeife unter meine Nase, und der Duft erweckt Grandpa zum Leben. Er zündet seine Pfeife an, löscht das Streichholz und zwinkert mir zu. Ich lege die Pfeife wieder zurück und schließe den Schrank. »Grandma, sieh nur!« Oben auf dem Schrank stehen sechs Kerzen, die aussehen wie grüne Oliven in einem Martiniglas aus Wachs. »Die müssen wir heute anzünden!«
    Wir gehen zurück in die Küche, die Arme voller Weinflaschen. Ich zünde die Kerzen an, während Grandma sich mit dem Korkenzieher abmüht. »Oh, darum hat sich immer dein Großvater gekümmert«, sagt sie mit zusammengebissenen Zähnen. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen, um den Korken herauszubekommen.
    Ich trete zu ihr. »Soll ich es mal versuchen, Grandma?«, frage ich sanft.
    »Er hat sich um alles gekümmert«, murrt sie und drückt mir den Korkenzieher in die Hand. »Das war seine Lebensaufgabe. Er hatte immer das Sagen. Immer .« Sie lacht, aber ihre Augen füllen sich mit Tränen.
    Schließlich löst sich der Korken mit einem leisen Plopp. Ich schenke uns Wein ein und wünsche mir, es fiele mir leichter, zuzulassen, dass sich jemand um mich kümmert. Grandpa hat sich in ihrem gemeinsamen Leben immer um alles gekümmert, aber er war kein Kontrollfreak. Es scheint, als wäre es seine Aufgabe im Leben gewesen, erfolgreich zu sein, und als er Grandma kennenlernte, da hatte sie die Chance, an Bord zu springen und dazuzugehören … oder es bleiben zu lassen. Und ganz gleich, wie gerne er mit ihr zusammen war, er wäre durchaus auch in der Lage gewesen, alleine zu leben.
    Für eine Frau ist es reizvoll, wenn ein Mann sie umsorgt, wenn er Spuren hinterlassen möchte, die über das Gewöhnliche hinausgehen. Wenn ich Grandma so ansehe, dann spüre ich, dass sie zwar Grandpas Verhalten nicht in Worte fassen kann, aber sie hat es einfach geliebt. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie tatsächlich verstand, weshalb meinem Grandpa einige Dinge wichtig waren – die Schlüssel, der Mechanismus des Flaschenzugs an der Tür, die ökonomische Rolle der Maiskolbenpfeife im Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts –, aber sie fand den Mann endlos interessant. Sie war wie Dorothy in Jerry Maguire : Ich bleibe im Hintergrund und unterstütze dich, auch wenn ich nicht in deinem Herzen lesen kann. Und wenn du am Ende des Tages heimkommst, dann kannst du bei mir zur Ruhe kommen.
    Es fasziniert mich, mit welcher Entschlossenheit und Leidenschaft die meisten Männer sich ihren Weg bahnen. Und wie wir Frauen uns anpassen, wie wir uns aufrichtig für ihre Interessen interessieren. Ich habe diese Verhaltensmuster genau untersucht, als ich auf dem College Psychobiologie studiert habe: Die Fähigkeit des Mannes zum Jagen und Sammeln wird ergänzt durch die Rolle der Frau, durch ihre Hingabe an Familie und Heim. Dieses geschlechtsspezifische Phänomen hat mehr mit dem menschlichen Geist als mit Wissenschaft zu tun. Ein Mann strebt von Geburt an nach seinen Zielen und seiner Identität – er will immer siegen. Und die Frau ermutigt ihn oder erlaubt es ihm zumindest, seinen Weg zu verfolgen … Aber merkt er das überhaupt? Die Frauen, die ich kenne, haben irgendwie ihre eigenen Wünsche zurückgestellt im Austausch für den Trost und Schutz eines Mannes. Diese klare Interpretation männlicher und weiblicher Herzen … habe ich etwas verpasst?
    Und von diesem Standpunkt aus betrachtet, finde ich es ein bisschen peinlich, dass ich immer versuche, meine eigenen Leistungen darzustellen. Vielleicht sollte ich mich mal mit dem Gedanken befassen, meine Aufgaben mit jemandem zu teilen. »Grandma, dir hat es gefallen, dass Grandpa derjenige war, der sich um alles gekümmert hat, nicht wahr?«
    »Ach, du liebe Güte, ich hätte es gar nicht anders gewollt. Er wusste immer, was er wollte. Ich habe ihm vertraut.« Wenn ich einen so ehrgeizigen Mann finden würde, würde ich mich dann auch damit zufriedengeben, mich zurückzuhalten und mich umsorgen zu lassen? Würde es mir helfen, wenn ich mir keine Gedanken mehr darüber machen müsste, wie ich das

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