Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
…«
Tucker öffnet den Mund, um etwas zu erwidern.
»Tucker, da waren wir zwei noch gar nicht zusammen. Auf jeden Fall hat er mir da eine E-Mail geschickt, um mir zu sagen, dass sein Geburtstagsgeschenk ein mit acht Stichen genähter Finger war, weil er den Ventilator an irgendeinem Laser-Gerät in der Praxis reparieren wollte. Und zwei Tage nach der E-Mail hat er angerufen, und ich bin drangegangen. Was ist, Tucker? Ich habe mich schlecht gefühlt. Diese Verletzung klang schlimm!« Ich werfe ein Stück von meinem Brötchen als Fischfutter ins Wasser und denke daran, wie Chris mir erzählt hat, er könne den Knochen in seinem Zeigefinger sehen. »Der arme Kerl hat noch nicht mal Familie hier.« Der Gedanke betrübt mich so, dass ich keinen Appetit mehr habe. »Er ist ganz allein.«
»Nun«, Tucker wischt mir Sand vom Knie, »wenn er das nächste Mal anruft oder mailt, dann sagst du ihm aber, dass du mit jemand anderem zusammen bist, oder?«
»Ja klar. Das sage ich ihm.«
»Und dass es was Ernstes ist?«
»Ja, Tucker.«
»Okay. Versprochen?«
»Ja, Tucker.«
Chris hatte mir auf die Mailbox gesprochen, dass er mit dem Fahrrad um den See fahren und bei mir vorbeikommen wolle; er habe endlich einmal sein Fahrrad ausprobiert, auch wenn es mit neun Fingern schwierig sei. Meinem Freund zu erklären, warum dieser attraktive Arzt mit seinem 3000-Dollar-Fahrrad mit achtzehn Gängen bei mir »vorbeikommen« wollte, wäre unnötig und überflüssig gewesen. Ich war erleichtert, dass ich nicht gerade mit Tucker zu Hause gewesen war – aber überraschenderweise auch ein wenig enttäuscht, dass ich überhaupt nicht zu Hause gewesen war. Kurz fragte ich mich, wie mir wohl Chris’ Duft in Verbindung mit frischem Schweiß gefallen hätte.
Am Montag darauf bereitete ich gerade ein paar Fragen über eheliche Treue für das Abendessen mit Grandma vor, als mir klarwurde, dass ich das Versprechen, das ich Tucker gegeben hatte, aufgeschoben hatte. Aber musste ich denn überhaupt etwas sagen? Würde Chris es nicht für anmaßend halten, wenn ich glaubte, dass er mehr von mir wollte als nur Freundschaft? Ich gehe im Zimmer meines Bruders auf und ab und setze mich dann vor den Computer, um die folgende E-Mail zu formulieren:
Hi Chris,
ich hoffe, dein Tag läuft gut. Ich freue mich auf unseren Lunch nächste Woche; ich wollte dich nur rasch auf dem Laufenden halten, was in der letzten Zeit so alles passiert ist. Es war ziemlich aufregend!
Zu den Projekten und Familienangelegenheiten, die mich wirklich voll in Anspruch genommen haben, kommt noch hinzu, dass ich mich seit ein paar Wochen in einer ernsten Beziehung befinde. Es kam für mich sehr überraschend, und mein Partner weiß durch den berüchtigten Dorfklatsch und meine eigenen Berichte, mit was für einem tollen Mann ich zu Beginn des Sommers ausgegangen bin und dass ich dich für einen wundervollen Menschen und Freund halte.
Das Leben ist voller Überraschungen, nicht wahr? (Ich weiß, eine Binsenweisheit.) Auf jeden Fall würde ich unsere Freundschaft gerne fortsetzen und mich mit dir treffen. Ich kann es kaum erwarten, mich mit dir über die Arbeit und private Vorhaben zu unterhalten. Ich hielt es nur für das Beste, dich vorab schon einmal zu informieren, damit es dich nicht so überraschend trifft, wenn wir uns endlich wiedersehen.
Sag mir bitte Bescheid, falls sich etwas an unserer Essensverabredung ändert. Ansonsten freue ich mich auf nächsten Montag und kann es kaum erwarten, von deinen neuesten Plänen zu hören (und dir auch von meinen zu erzählen).
Herzlich
Krissy
PS : Was macht dein Finger, mein Freund?
Grandma erfasst die Situation sofort. »Du hast dich also doch zum Mittagessen mit ihm verabredet, aber es Tucker nicht gesagt.«
»Na ja. Da ich ja Chris’ vollen Terminkalender kenne, dachte ich, ich wecke zunächst mal keine schlafenden Hunde und sage es Tucker erst, wenn es tatsächlich stattfindet.«
»Und wie war das Mittagessen?«
»Eigentlich war es … ein Abendessen.«
Grandmas Augen leuchten auf. Sie lehnt sich zurück, verschränkt die Arme und wartet darauf, dass ich weiterrede.
»Er hatte einen echt langen Tag mit Patienten und Sitzungen und konnte nicht zum Mittagessen gehen. Er hat gesagt, dass er natürlich meine neue Beziehungssituation versteht, aber mich dringend sprechen müsste.«
Grandma gibt ein Schnurren von sich, das ganz untypisch für sie ist und mich an Blanche Deveraux in Golden Girls erinnert. »Erzähl
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