Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
Großvaters Nachfolger als Leiter des Turniers. Er bittet die Menge, Grandma zu applaudieren, als sie die erste Kugel des Tages zu Ehren von Grandpa über die Bahn rollt. Sie sieht winziger aus denn je in ihren Baumwollcaprihosen und mit einer Baseballkappe, auf der zwischen zwei gestickten Blumen MORNING GLORIES steht, der Name ihres Teams, das ihr zu Ehren so heißt.
Tucker geht mit meinem Bruder an die Bar, wo sie wahrscheinlich Boccia-Strategien besprechen. Mir gefällt, wie leicht er mit meiner Familie zurechtkommt. Meine Mom bringt mir einen Mimosa und fragt, ob ich mich nicht zu ihr und ihrer Freundin Nancy an den Rand von Platz eins setzen will. Nancy trägt heute ein zum Anlass passendes Tanktop mit der Aufschrift I Love Bocce! , Flip-Flops mit Pfennigabsatz und rot lackierte Fußnägel. Ich finde es immer überraschend, wie sexy sie ist, obwohl sie sich eigentlich sehr diskret verhält. Sie winkt mich auf den Klappstuhl neben sich. »Komm, Süße«, sagt sie, »ich gebe dir ein bisschen Champagner in deinen Saft.«
»Danke, Nancy.« Meine Mom setzt sich auf den freien Stuhl links von mir, und sofort scharen sich ihre Freundinnen um sie. Ich glaube, Moms Größe, ihre Geradlinigkeit und ihr unvergleichlicher Sinn für Humor machen sie zur Bienenkönigin unter ihren Freundinnen.
Nancy entschuldigt sich, weil sie nicht da war, als ich Dr. Christopher allen vorgestellt habe. »Wir sind an dem Abend erst von den Outer Banks nach Hause gekommen.«
»Du musst dich nicht entschuldigen, Nancy.« Ich lasse den Kopf in die Hände sinken. »Es war wie ein Vulkanausbruch: unterhaltsam zu beobachten, aber katastrophal, wenn man ihn erlebt.«
»Deine Mom sagte schon, dass es nicht so gelaufen ist, wie du es dir vorgestellt hast.«
»Ha! Nein«, sage ich.
»Ha! Nein«, echot Mom. »Aber ich habe ihr gesagt, eine Frau braucht einen Mann, der sie bedingungslos liebt.« Mom trägt enge schwarze Shorts und ein T-Shirt mit der Karte von Italien in roten, weißen und grünen Pailletten. Eigentlich ist sie Deutsche, aber mit ihren hohen Wangenknochen, ihrem olivfarbenen Teint und den mandelförmigen Augen wurde sie immer mit Sophia Loren verwechselt, wenn sie Dad in den neunziger Jahren auf Geschäftsreisen nach Asien begleitete. Außerdem beherrscht Mom Grandpas unvergleichliche Spaghettisoße so gut wie niemand sonst, und deshalb kann man ohne weiteres vergessen, dass sie keine Italienerin ist. »Ein Mädchen braucht einen unkomplizierten Mann. Sieh dir nur unsere Jungs an«, erklärt sie.
Mein Dad trägt seine typische Kleidung auf dem Boccia-Platz (St.-Louis-Cardinals-Baseballkappe, Khakishorts und Flip-Flops). Er kaut auf einer Zigarre, während er seinen üblichen kleinen Siegertanz vorführt (er wackelt leicht mit Hüften und Fäusten), den man bei ihm sieht, wenn er eine Maschine verkauft, einen Marathon gelaufen ist oder, in diesem Fall, ein Boccia-Spiel gewinnt.
»Stimmt’s, Nance?«, sagt meine Mutter.
»Ja, genau.« Nancy beugt sich zu mir und flüstert: »Aber du mochtest Dr. Christopher, Süße, oder?«
Mom beugt sich auch zu mir, und die ganze Freundinnenschar folgt ihrem Beispiel. Mir wird auf einmal klar, dass meine Mutter die Vorstellung, aus Chris und mir könne ein Paar werden, noch anziehender gefunden hat als ich, auch wenn sie es jetzt so abtut. Ich nicke und blicke Nancy an. »Ja. Aber es ist irgendwie komisch: Bei den anderen Jungs, mit denen ich zusammen war, war ich so abhängig davon, wann sie sich wieder melden, wieder anrufen und so. Dieses Mal ist es anders, ich weiß nicht – vielleicht bin ich auch inzwischen einfach zu alt für diese Unsicherheiten. Vielleicht habe ich auch nur keine Lust, alles ständig zu analysieren. Doch das brauche ich ja auch gar nicht.« Ich reibe mir die Hände. »Es ist vorbei, und ich blicke nach vorne.«
Mom beugt sich näher zu mir und sagt verschwörerisch: »Sie hat ihn ja schon vor Wochen für heute eingeladen. Es würde mich gar nicht wundern, wenn er auftauchen würde.«
»Ach, du lieber Himmel, Mutter, er wird doch nicht einfach so herkommen …«
Genau in diesem Moment blickt Grandma vom Boccia-Platz zu mir herüber und signalisiert mir, dass ich aufpassen solle. Achtung, da kommt jemand .
Es ist Tucker. »Babe«, sagt er. »Deine Cousins fahren mit dem Boot raus. Kommst du mit? Ich möchte unbedingt versuchen, Wasserski zu fahren.«
Eigentlich macht es mir mehr Spaß, mit Mom und ihren Freundinnen über Chris zu reden. Aber ich reiche Tucker
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