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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Gasbarre
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Ich spürte die Wärme seines Gesichts an meinem Ohr. »Möchtest du eine Entspannungsübung ausprobieren, die ich bei meinen Patienten mit Schlafapnoe anwende?«
    »Ja klar.« Seine Nähe machte mich ganz nervös.
    Wieder versuchte ich mich abzulenken. Bei seinen Patienten macht er das ganz bestimmt nicht. Dann würde er angezeigt! Aber warum kam er mir jetzt so nahe, wo er doch fortging? Ich atmete gleichmäßig und lockerte bewusst meine Hände und Schultern. Ich stellte mir seinen Atem dicht an meinem Mund vor, seine Lippen auf meinen. Insgeheim wollte ich das. Unwillkürlich rückte ich mit meinem Kopf ein wenig näher zu ihm.
    »Stell dir vor, du bist in hundert Decken eingewickelt«, sagte er. »Sie sind warm und leicht und so locker, dass du dich noch gut bewegen kannst. Kannst du sie spüren?«
    Irgendwie kam es mir total normal vor, ja zu sagen.
    »Gut, Kris. Über dir leuchtet ein sanftes Licht, aber mit jeder Sekunde wird es schwächer, und gleich wird der ganze Raum komplett dunkel sein.«
    Als Großvater im Sterben lag, haben die Pflegerinnen uns erklärt, wir sollten Grandpa ins Licht schicken. Ich weiß noch, wie er aufhörte, sich vor Schmerzen und Missbehagen im Bett zu wälzen, als wir ihm sagten, es sei okay, in den Himmel zu gehen.
    Chris fuhr fort: »Wenn dieses Licht verschwunden ist, wird es ersetzt durch einen gleichmäßigen, angenehmen Klang, der dich trägt. Sag nichts, sondern überleg nur, was das für ein Geräusch ist.« Ich hörte Wellen, die nachts gegen das Seeufer schlagen und sich mit dem Rauschen der Autos auf der Autobahn verbinden. Als ich klein war, glaubte ich fest daran, dass ich hören könnte, wie die Welt sich drehte. »Und jetzt stell dir vor, wie dieses Geräusch im Winter durch den Schnee gedämpft wird, und du schläfst, weil du nirgendwo sein musst. Sehr gut gemacht, Kris«, sagte er. »Da du dich entspannt hast, steigt jetzt deine Körpertemperatur, und deine Atemzüge sind tief. Sie bringen frischen Sauerstoff in dein Blut und deine Muskeln.« Ich fühlte mich fast hypnotisiert und brachte keinen Ton heraus. Ich konnte nur atmen.
    »Ich lasse dich jetzt für ein paar Minuten allein. Aber ich komme gleich wieder zurück.«
    Alles war schwarz, bis sich ein klarer Gedanke in meinem Kopf formte: Es gibt definitiv Momente, in denen es einer Frau guttut, sich von einem Mann umsorgen zu lassen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort gelegen habe – fünf Minuten? Zwanzig? Aber als er wiederkam, legte er mir erst ein warmes, feuchtes Tuch aufs Gesicht und wischte die Lösung ab, bevor er das Licht einschaltete. »Jetzt steh bitte auf und wasch dein Gesicht ab«, sagte er. »Fühlst du dich erfrischt?« Ich trat an das Edelstahl-Waschbecken und spülte mein Gesicht so lange mit kaltem Wasser ab, bis Chris mir ein Handtuch hinhielt. Als ich mich abgetrocknet hatte, gab er mir einen Spiegel. Im Spiegel sah ich, dass seine Krankenschwestern ebenfalls anwesend waren. »Es ist schön, nicht wahr?«
    Ich machte ein Gesicht wie Mona Lisa, weil ich vor diesem Publikum nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte. Mein Gesicht glänzte auf diese durchscheinende Art, so wie früher in der Schule, wenn ich ein Peeling gemacht hatte. Die Haut wirkte so gründlich sauber, dass die winzigen Falten um meine Augen verschwunden waren und mein Hautton ganz gleichmäßig war. Zuerst wollte ich zu ihm sagen: Du leistest gute Arbeit, aber ich begriff instinktiv, dass er dies nicht für sein Ego, sondern für mich getan hatte. Deshalb stimmte ich ihm zu: »Ja, es ist wirklich schön.«
    Als seine Assistentinnen gegangen waren, legte er mir die Hände auf die Schultern und drehte mich zu sich um, so dass wir ganz dicht beieinanderstanden. Ich hätte nicht sagen können, ob er nur meine Stirn studierte oder mir direkt in die Seele blickte. »Perfekt.«
    Perfekt … meinte er mich oder seine Arbeit? Als wir den Flur entlanggingen, stellte ich mir vor, er hätte mich gerade erschaffen; dieser moderne Pygmalion hätte mich als makellos schöne Frau erschaffen. Ich empfand Dankbarkeit und Zuneigung.
    So fühlt es sich an, von einem Mann geliebt zu werden. Bevor eine Frau sich verliebt, ist ihre Schönheit der Grund dafür, dass der Mann sie bewundert, er fühlt sich zu ihr hingezogen. Aber wenn sie sich erst einmal verliebt hat, wird sie noch strahlender. Ich weiß noch, dass meine Chefin an dem Montag, nachdem ich Adam Hunt kennengelernt hatte, an meinem Schreibtisch stehen geblieben ist und

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