Liebe kennt keine Gefahren
dich den ganzen Tag, während dich nur selten und dann lediglich minutenweise sehen kann. Wie schneiden seine Küsse im Vergleich zu meinen ab? «
»Alexander küßt mich nie«, murmelte sie. »Das tust nur du. «
Nun beugte er sich vor ihr weg und musterte sie erstaunt. »Er küßt dich nicht einmal? Aber du möchtest ihn küssen, nicht wahr? Du möchtest mit ihm ins Bett gehen — habe ich recht? «
Jess zog das Vorderteil ihres Kleides gerade. »Du scheinst wohl den Verstand zu verlieren. Alexander ist mein Freund. Ebensogut könnte ich Eleanor bitten, mit mir zu schlafen. Ich würde bei einer Frau wohl ebensoviel Lust verspüren wie bei Alexander«, murmelte sie. »Aber geh jetzt bitte, und laß mich in Ruhe. Ich möchte dich nie mehr sehen. «
Der Schwarze Rebell stand da, die Hände locker an den Seiten, den Mund leicht geöffnet, als habe er soeben eine grauenhafte Nachricht erfahren.
Jess sah zum Ufer hin. »Geh! Da kommt jemand. Es könnte Alex sein. «
Der Schwarze Rebell schien aus seiner Betäubung zu erwachen. »Vielleicht hat sich dein Mann mit einer anderen Frau getroffen. «
»Nun bin ich überzeugt, daß dein Verstand gelitten haben muß. Er konnte nicht einmal eine Frau dazu bewegen, ihn zu heiraten, geschweige denn mit ihm ins Bett zu gehen. Geh! Oder möchtest du dich von den Engländern fangen lassen? «
In der nächsten Sekunde war der Schwarze Rebell hinter der Klippe verschwunden.
Es war nur ein Reh, das sich nun über der Höhle zeigte; aber Jessica war froh, daß etwas den Schwarzen Rebellen vertrieben hatte. Sie wußte, daß sie ihm keine Sekunde länger hätte widerstehen können. Schon sein Anblick brachte ihren Körper zum Vibrieren. Es war schon so lange her, seit sie zuletzt in den Armen eines Mannes gelegen hatte.
Sie stach mit dem Spaten in ein Muschelloch. Einen echten Mann, meinte sie damit — einen, der ihren Körper wie ihre Seele zu erfreuen wußte. Sie litt unter einem schlechten Gewissen, weil sie dem Schwarzen Rebellen verraten hatte, wie Alex und sie zueinander standen, aber sie fühlte sich zwischen den beiden Männern hin-und hergerissen. Im körperlichen Sinne war sie beiden treu: Sie war keine Ehebrecherin und damit auch keine Verräterin an Alex, doch ebensowenig schlief sie mit ihrem Mann und wurde damit zu einer Verräterin am Schwarzen Rebellen.
»Ich bin ohne«, sagte sie laut, »ohne einen Mann. « Sie stieß den Spaten heftig in das Muschelloch.
»Willst du endlich aufhören, mich anzuschreien? « rief Jessica ihrer Schwester Eleanor zu. »Ich sagte dir doch bereits, daß ich Alexander nichts getan habe. Wenigstens nichts Neues. Ich brachte ihm sein Essen, schnitt ihm sogar das Fleisch vor. Ich wüßte nicht, wie ich noch netter zu ihm sein könnte. Ich sagte ihm sogar, daß sein Rock ihm gut stünde — seinen Wangen eine hübsche Farbe verliehe. Was soll ich denn noch tun? «
»Warum brütet er dann so finster vor sich hin? «
»Ich habe keine Ahnung. Er will mit mir nicht über seine Gesundheit sprechen. Glaubst du, daß er Schmerzen hat? «
»Nur die Schmerzen, die du ihm bereitet hast. «
»Ich? Ich habe doch nichts dergleichen… «
Sie wurden von dem heftigen Schlag der Tür gegen die Wand unterbrochen. Marianna stürzte herein. Ihre Wangen waren lebhaft gerötet, ihre Augen leuchteten. »Habt ihr schon gehört? Ein italienisches Schiff ist unten im Hafen eingelaufen. Jemand sagte, Adam könnte an Bord sein. « »Adam? « rief Jessica erfassend.
»O ja«, gab Marianna zurück, seufzte und schloß einen Moment entzückt die Augen. »Mein ältester Bruder. Adam, der Kämpfer. Adam, der Schönste. Adam, der gekommen ist, um uns zu erretten. «
»Die Engländer werden unsere Stadt bis auf die Grundmauern niederbrennen, wenn noch jemand uns retten möchte«, sagte Eleanor.
Jessica blickte auf ihr altes, oft geflicktes Kleid hinunter. »Ich kann Adam in diesem Gewand nicht unter die Augen treten. Ich wünschte, ich hätte ein Kleid, das so schön ist wie Alexanders roter Rock. Nun bleib doch nicht einfach dort stehen, Marianna — deine Haare sehen schrecklich aus. «
»O ja — ja, natürlich, « Marianna lief den Korridor hinunter.
»Sag Alex bloß nichts davon, daß du dich für… rief Eleanor noch Jessica nach. Doch Jessica war schon um die nächste Ecke verschwunden. »Adam«, fuhr sie laut fort und faßte sich dann selbst an die Haare. Vielleicht sollte sie sich ebenfalls ein wenig zurechtmachen, ehe der berühmte Adam nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher