Liebe kommt auf sanften Pfoten
zurückzugewinnen, immer noch zu vergeben war, hatte sie jeden einzelnen Tag bis zur Rückkehr an ihren Schreibtisch gezählt.
Jetzt aber bekam sie vor Nervosität Herzrasen und war sich auf einmal gar nicht mehr sicher, ob ihr berüchtigtes Pokerface gut genug war, um ihre flatternden Nerven zu verbergen.
Würde alles wieder wie vorher sein? Oder hatte sich alles weiterentwickelt und verändert? Mehr noch: War sie immer noch die gleiche Person wie vor ihrer Babypause, als sie mit den Gutscheinen für den Babyladen, für die die anderen zusammengelegt hatten, wie mit einer Trophäe in den Mutterschutz gegangen war? Louise hatte damals tagelang ihre Fallnotizen ausgearbeitet, ihre Gedanken in den Kampfmodus zurückbeordert und den Juristenjargon unter den verschwommenen Massen der Schwangerschaftsbanalitäten herausgekehrt. Ihr Verstand hatte sie dabei nie im Stich gelassen. Das Einzige, worum sie sich Sorgen machte, war sie selbst.
Unverwundbarkeit. Diese zeichnete eine gute Staatsanwältin aus. Absolute Unverwundbarkeit. Absolut verlässlich und integer.
Kann ich das immer noch von mir behaupten?, fragte Louise ihr Spiegelbild, das von den eingravierten Daten der Erbauung dieses Gebäudes gekreuzt wurde. Mit all dem, was ich nun über mich selbst weiß?
»Louise? Louise!«
Sie spürte, wie eine große Hand sie an der Schulter packte. Als sie sich umdrehte, stand Douglas Shelwick vor ihr, der über das ganze runde rote Gesicht strahlte. Er trug dieselbe Krawatte und dieselbe Brille, auch wenn er ein paar Haare verloren zu haben schien. Dennoch sah er ganz genau so aus wie damals, als sie aufgehört hatte.
»Ich hätte mir eigentlich denken können, dass du noch vor mir im Büro bist!«, fuhr er fort und hauchte ihr höflich ein Küsschen auf die rechte Wange. »Schön, dich wiederzusehen! Du siehst fantastisch aus!«
»Das ist nur Selbstbräuner«, winkte Louise ab und fuhr dann mit einem Hauch ihres alten neckischen Selbstbewusstseins fort: »Und die brennende Sehnsucht danach, in den gefährlichen Bezirken Longhamptons aufzuräumen und dort für Ordnung zu sorgen!«
Sollte Douglas die Mühe bemerken, die sie diese Bemerkung gekostet hatte, so zeigte er es jedenfalls nicht. Stattdessen wurde sein Grinsen breiter, und er hielt ihr die Tür auf, um ihr den Vortritt zu lassen. »Was macht denn der Kleine? Schläft er durch?«
»Wie ein Murmeltier«, log Louise. Das war kein guter Beginn, doch wenn sie es nur oft genug wiederholte, würde es sich vielleicht irgendwann einmal bewahrheiten. »Das hat er gleich von Geburt an schon getan.« Heimlich schnupperte sie die Luft im Foyer: Hier roch es immer noch nach Kaffee und dem gleichen Reinigungsmittel wie in allen Gebäuden des öffentlichen Dienstes. Was sofort vertraut und beruhigend wirkte.
»Der Kleine kommt also ganz nach seiner Mutter. Hundertprozentig verlässlich.« Douglas lachte, was unweigerlich dazu führte, dass Louises einsetzende Erleichterung und Entspannung ein jähes Ende fanden und sie sich wieder verkrampfte.
»Wie du vielleicht gehört hast, mussten wir nach deinem Weggang umstrukturieren, deswegen kann ich dir dein altes Büro leider nicht zurückgeben«, fuhr er fort, während er sie durch die Abteilung der Oberstaatsanwaltschaft dirigierte, wo mehrere neue Mitarbeiter bereits an ihren Schreibtischen saßen. Louise kannte keinen von ihnen, doch bei ihnen handelte es sich wahrscheinlich um Referendare – jung und ehrgeizig. Aber nicht wichtig genug, dass Douglas ihnen Louise vorgestellt hätte.
»Das Fenster ist ein wenig kleiner, und du musst das Büro leider ein paar Monate lang mit einem Rechtsgehilfen teilen, aber ich werde ein gutes Wort für dich einlegen. Vielleicht tut sich ja noch etwas Besseres für dich auf.«
Louise erinnerte sich an die Tür, die er nun öffnete: Dies war das Büro von Deidre Jackson, der Sekretariatsvorsteherin. Hier stank es immer noch nach Elnett-Haarspray, und vom Fenster aus blickte man direkt auf die mit Taubenkot übersäten Klimaanlagen. Vor zwei Jahren noch hätte sie Douglas so lange angeschrien, bis er ihr wenigstens ein Büro mit Blick auf die Seitenstraße besorgt hätte, doch jetzt wollte sie einfach nur weitermachen.
»Schon okay«, antwortete sie und stellte ihren Aktenkoffer auf dem Kunststoffstuhl ab, der vor dem Schreibtisch stand. Dieser war, abgesehen von einem Computer und einem Posteingang, der vor lauter Akten aus allen Nähten zu platzen drohte, vollkommen nackt. »Wenigstens ist
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