Liebe kommt auf sanften Pfoten
Portemonnaie?«
»Ja.« Juliet hatte Minton in einen Sofaüberwurf gewickelt und hob ihn nun sanft hoch, das Handy zwischen Schulter und Kinn geklemmt. »So, ihr beide hört jetzt schön Radio und schlaft dann schön«, erklärte sie Hector und Coco, bevor sie die Küchentür hinter sich schloss. »Was passiert jetzt?«
Es klingelte. »Jetzt sag nicht, dass du in der Zwischenzeit hergeflogen bist!«, rief sie, halb im Scherz. »Wie hast du das geschafft? Bist du im Besitz von Harry Potters Flohpuder? Kannst du neuerdings beamen?«
»Weder noch«, erwiderte Lorcan, als Juliet die Tür öffnete. Vor ihr stand ein riesengroßer, bärtiger Mann. »Das ist mein Kumpel Sean, der im Baumarkt arbeitet. Er fährt dich zum Tierarzt.«
In Anbetracht der Situation war ihre Reaktion einfach nur lächerlich, das wusste Juliet, doch sie verspürte einen Hauch von Enttäuschung, dass Lorcan nicht selbst vor der Tür stand.
Sean lächelte und entblößte mehrere Zahnlücken. Er sah aus wie ein Nikolaus der Hell’s Angels. Angst einflößend und doch zugleich auch verdammt liebenswürdig.
»Er organisiert an Silvester immer eine Suppenküche für Obdachlose«, erklärte Lorcan. »Sean ist so ziemlich der einzige Mensch, den ich kenne, der zu dieser Uhrzeit nüchtern ist. Sag Hallo zu ihm, er beißt nicht.«
»Hi, Sean«, grüßte Juliet ihn und schüttelte dann den Kopf. »Hör zu, Lorcan, wir haben keine Zeit, um uns lange zu unterhalten.«
»Das ist gut, weil du nämlich kaum ein Wort aus ihm rausbringen wirst. Ruf mich an, wenn ihr beim Tierarzt seid, damit ich weiß, was los ist«, verabschiedete sich Lorcan. »Und gib Minton ein paar Streicheleinheiten von Onkel Lorcan, ja?«
»Mache ich.« Juliet merkte, wie sie sanft zu einem anderen Handwerkervan geschoben wurde. »Lorcan, wenn Minton stirbt, würde ich mir das nie verzeihen …«
»Minton ist hart im Nehmen, genau wie du«, entgegnete Lorcan. »Haltet die Ohren steif, ja?«
Juliet wollte ihm gerade noch einmal danken, als Sean den Motor des Transit anließ und Juliet außer dem Getöse der uralten Rostlaube nichts mehr hören konnte. Dann fuhren sie schon die Straße hinunter, vorbei an der Buchshecke, in der sie vor ein paar Monaten an Bens Todestag den kleinen Strauß versteckt hatte. Danach bogen sie auf die menschenleere Hauptstraße ab und fuhren durch die Nacht zum Tierarzt. Mintons zartes Köpfchen ruhte wie das eines Babys an Juliets Brust, und sie zwang sich, sich auf seine röchelnde Atmung zu konzentrieren.
George, der Tierarzt, wartete schon draußen vor der Praxis auf sie. Seine breite Gestalt hob sich silhouettenhaft vor der hell erleuchteten Tür ab, als Sean mit seiner Vollbremsung die Kieselsteine aufwirbelte.
»Er ist ziemlich schwach«, erklärte Juliet. George kam zur Wagentür gelaufen und nahm ihr den kleinen Hund ab.
»Diese verdammten Terrier«, murmelte er. »Nur Labradore sind noch schlimmer. Die können die unmöglichsten Dinge verschlucken. Was macht eigentlich unsere Zehn-Tonnen-Freundin?«
»Meinen Sie Coco?« Diane hatte Juliet bereits vorgewarnt, dass George teilweise brutal schroff war, doch ihrer Warnung war ein bewunderndes Seufzen gefolgt. Juliet begriff allmählich, warum: Trotz seiner mürrischen Miene tastete George bereits mit einer Mischung aus Zartheit und Fachwissen Mintons Maul und Hals ab.
»Ja. Eigentlich ein hübsches Mädchen, aber schrecklicher Zahnbelag. Und eine ungezogene Besitzerin. Okay, ich glaube, wir müssen unseren Freund hier röntgen. Würden Sie bitte mitkommen?«
Juliet drehte sich kurz zu Sean um und winkte ihm zum Abschied dankbar zu, bevor sie dann ein paar Meter rennen musste, um mit dem langbeinigen George Schritt halten zu können, der schon in den hell erleuchteten Empfangsbereich der Praxis eilte.
Megan saß dort in ihrer OP-Kleidung hinter der Theke, und sie lächelte Juliet freundlich zu, als George an ihr vorbeistürmte und ihr Anweisungen erteilte.
»Warten Sie hier, wir kommen, so schnell wir können, wieder zu Ihnen«, forderte sie Juliet auf, bevor sie George in ein Behandlungszimmer folgte.
Juliet ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen und starrte auf ein Poster, das Werbung für Frontline -Wurmkuren machte.
Bitte lass das neue Jahr nicht so schlimm werden wie das letzte, betete sie. Ich habe nicht mehr viele Angehörige, die ich noch verlieren könnte.
Juliet hatte das Gefühl, dass die Zeit noch nie so langsam vergangen war wie in den fünfundneunzig Minuten, die sich
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