Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag
Strafen in Einzelhaft ab. Sie sind wie unten abgebildet über die Zellen verteilt:
Da sie aber brav waren, erlaubt der Wärter ihnen, sich Zellen zu teilen. Sie müssen sich aber so verteilen, dass an jeder Seite des Gefängnisses vier Insassen sitzen. Wie verteilen sich die Häftlinge?
Lassen wir das Tierreich nun hinter uns. In der Menschheitsgeschichte hat es ganze Zivilisationen gegeben, die nie über dieses Stadium hinaus gelangt sind. Anders als die Wolfskinder haben sie Sprache entwickelt, aber oft nur Begriffe für »eins« und »zwei«. »Drei« und »vier« konnten sie noch ausdrücken, indem sie »zwei-eins« und »zwei-zwei« sagten. Bei noch größeren Zahlen würde etwa ein Botokude aus dem brasilianischen Regenwald nur noch auf seinen Kopf deuten und geschmerzt dreinschauen. Damit will ich die Intelligenz der Botokuden nicht abwerten; sie kommen prima zurecht, sie brauchen einfach keine größeren Zahlen als vier.
Es gibt Belege dafür, dass wir alle in gewissen Maß unfähig sind, über die Vier hinauszudenken. So gaben die alten Römer nur ihren ersten vier Söhnen normale Vornamen. Den fünften nannten sie Quintus (»Fünfter«), den sechsten Sextus (»Sechster«), den Siebten Septimus (»Siebter«) und so weiter. Auch im römischen Kalender (der aus nur zehn Monate bestand) hatten lediglich die ersten vier Monate echte Namen (Martius, Aprilis, Maius, Iunius), die restlichen hießen schlicht Fünfter, Sechster usw: Quintilis, Sextilis, September, October, November und December. Als sich herausstellte, dass sich das Jahr nicht mit zehn Monaten abdecken ließ, erfand man noch Januar und Februar hinzu. (Quintilis und Sextilis wurden später zu Ehren der Kaiser Julius Caesar und Augustus in Juli bzw. August umbenannt.)
Das gehört jetzt nicht direkt hierher, aber vielleicht fragen Sie sich, wie Botokuden den Überblick behalten, wenn sie doch kein Konzept von Zahlen größer als vier haben. Nehmen Sie mal an, eine Botokudin findet neun identische Eier im Nest eines Aras und nimmt sie mit. Wie wüsste sie dann daheim, dass sie unterwegs keines verloren hat? Den Unterschied zwischen acht und neun kennt sie ja nicht.
Die Botokuden behelfen sich mit »Merkern«. Zum Beispiel, indem sie für jedes Ei auch einen Kiesel mitnehmen, oder
einen Knoten in eine Schnur machen oder eine Kerbe in einen Stock schnitzen. Daheim nehmen sie dann ein Ei nach dem anderen heraus und werfen einen Kiesel weg, lösen einen Knoten oder streichen eine Kerbe durch. So behalten sie den Überblick über ihr Hab und Gut, ohne je mit einer größeren Zahl als »eins« umgehen zu müssen. Jedes Ei war eine »Eins«, die man sich mit einer von mehreren Methoden (siehe oben) merken konnte.
Am liebsten benutzen sie zum »Zählen« ihren Körper. Jeder Stamm hat seine eigene Reihenfolge für die verschiedenen Körperteile. Unsere Botokudin berührt zum Beispiel den kleinen Finger ihrer linken Hand, wenn sie das erste Ei in die Tasche steckt, den Ringfinger der Linken, wenn sie das zweite Ei einpackt usw., bis sie nach fünf Eiern alle Finger der linken Hand »belegt« hat. Für das sechste Ei würde sie ihr linkes Handgelenk berühren, für das siebte den linken Ellbogen, für das achte die linke Schulter und für das neunte ihre linke Brust. Daheim muss sie diese Sequenz beim Auspacken nur wiederholen. Wenn sie am Ende ihre linke Brust berührt, hat sie unterwegs kein Ei verloren.
Das mag alles sehr primitiv klingen, aber seien Sie nicht zu überheblich: Ähnliche Methoden des »Merkens« haben sich auch bei uns über die Jahrhunderte erhalten. Bis 1828 kam in England der Steuerbescheid in Form eines Kerbholzes; das (identische) Gegenstück archivierte der Schatzkanzler im Keller des Parlamentsgebäudes. Als das System 1834 abgeschafft wurde, beschlossen die Politiker, die Hölzer zu verbrennen. Leider geriet ihnen das Feuer außer Kontrolle und verschlang versehentlich das gesamte Parlamentsgebäude. In den Alpenländern wurde der Kerbstock noch im 20. Jahrhundert – insbesondere in der Alm – bzw. Alpwirtschaft – verwendet.
Na bitte! Als 18-monatiges Kleinkind hatten Sie bereits ein Niveau erreicht, das viele Zivilisationen nie überschreiten. Sobald Sie gelernt hatten, mit den Fingen zu zählen (wie Botokuden)
und (anders als die Botokuden) jeder neuen Zahl einen Namen zu geben, waren Sie mathematisch beschlagener, als viele Bewohner unseres Planeten es je sein werden. Sie waren direkt ein kleines Genie. Und es dauerte
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