Liebe mit beschrankter Haftung
eingenommen, ich setze mich auf eine der weißen Holzbänke ganz hinten und freue mich auf das Kommende. Eine Minute später erklingt der Hochzeitsmarsch von Mendelssohn, ich erhebe mich und richte meinen Blick wie alle anderen zum Eingang der Kirche. Dort erscheint jetzt aber nicht wie erwartet eine wunderschöne Braut im weißen Kleid, sondern ein ziemlich abgehetzt und schlecht gelaunt wirkender, dunkelhaariger Mann im schwarzen Anzug, der angesichts der ihm unfreiwillig zuteil werdenden Aufmerksamkeit betreten den Kopf einzieht.
»’tschuldigung, darf ich mal?« Mit diesen Worten drängelt er sich in meine Sitzreihe und zwingt mich, meinen perfekten Aussichtsplatz zu räumen.
»Natürlich.« Etwas verstimmt mache ich zwei Schritte nach links. In diesem Moment geht ein Raunen durch den Saal und nun erscheint tatsächlich die Braut. Die breiten Schultern des hochgewachsenen Fremden versperren mir die Sicht.
»Würden Sie mal ein Stück rücken?«, frage ich. »Ich kann nichts sehen.« Er dreht sich zu mir um und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen von oben herab aus stahlblauen Augen an.
»Natürlich, bitte sehr«, sagt er mit einem ironischen Lächeln und lehnt sich ein Stück zur Seite, sodass ich an ihm vorbeischauen kann. Im Kirchenportal steht, am Arm eines grauhaarigen Mannes, dem vor lauter Aufregung trotz Minusgraden die Schweißperlen über die Stirn laufen, die Braut. Ich kann einen entzückten Seufzer nicht unterdrücken, was mir prompt einen scheelen Seitenblick meines Nachbarn einbringt, den ich geflissentlich ignoriere. Der wird mir nicht die Laune verderben! Bewundernd lasse ich meine Blicke über die Erscheinung gleiten. Ihre langen, blonden Haare fallen ihr in weichen Locken auf die Schultern, das champagnerfarbene Kleid umschmeichelt ihre zarte Figur und ein langer Schleier fällt federleicht auf den Boden hinter ihr. Ich finde sie einfach nur wunderschön. Und sie strahlt. Aus ihren hellbraunen Augen kullern jetzt schon dicke Tränen, während sie nun gemessenen Schrittes durch den Gang in Richtung Altar schreitet, und sofort bekomme ich einen Kloß im Hals. Der Bräutigam, der im schwarzen Frack auf sie wartet, grinst so breit, dass sein Gesicht nur noch aus Zähnen zu bestehen scheint. Jetzt ist sie bei ihm, der Brautvater scheint kurz mit sich oder auch den Tränen zu kämpfen, als er seine Tochter an ihren zukünftigen Ehemann übergibt, dann zieht er sich zurück und die Brautleute lächeln einander an. Die Orgel beendet ihr Spiel und der Pastor spricht die Begrüßungsworte. Schniefend setze ich mich wieder hin.
»Ich hoffe, Sie haben Tempos dabei«, bemerkt mein Sitznachbar und ich zeige ihm die frische Packung, die sich selbstverständlich in meiner Handtasche befindet.
»Brauchen Sie auch eins?«, erkundige ich mich flüsternd und er schüttelt den Kopf.
»Ich kann mich gerade noch beherrschen«, gibt er zurück und ich merke erst jetzt, dass er sich offensichtlich über mich lustig macht. So ein Blödmann. Schulterzuckend stopfe ich die Taschentücher zurück und greife nach dem Ablaufplan, denn in diesem Moment stimmt die Gemeinde das erste Lied an.
»Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer«, schmettere ich aus voller Kehle, während mein Nebenmann ungerührt seinen BlackBerry aus der Anzugtasche zieht und zu tippen beginnt. Mir bleibt der Gesang im Halse stecken. Ungläubig sehe ich von ihm zu dem Gerät und zurück, aber mein Entsetzen lässt ihn vollkommen kalt.
»Was machen Sie überhaupt hier, wenn Ihnen diese ganze Hochzeit so was von egal ist?«, kann ich mir nicht verkneifen zu flüstern.
»Hm?« Er blickt von seinem Telefon auf. »Was haben Sie gesagt?«
»Ich habe gefragt, warum Sie hier sind!«
»Der Bräutigam ist mein Freund.«
»Kein besonders enger Freund, nehme ich an«, spotte ich, doch er schüttelt den Kopf.
»Mein bester.«
»Wohl kaum. Dann würden Sie nämlich jetzt da vorne neben ihm stehen und ihm die Ringe reichen«, sage ich, schon um ihn aus der Reserve zu locken, aber er bleibt kalt wie Eis.
»Er hat mich gefragt, ob ich sein Trauzeuge sein will«, antwortet er, »aber ich halte nichts von der Ehe. Diese beiden da werden in zwei Jahren vor dem Scheidungsrichter stehen.« Mit offenem Mund starre ich ihn an, lasse meinen Blick von ihm zu dem glücklichen Brautpaar dort vorne und zurück schweifen.
»Sie mögen seine zukünftige Frau nicht?«, erkundige ich mich, aber schon wieder schüttelt er den Kopf.
»Doch, sie ist okay. Ich glaube
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