Liebe mit beschrankter Haftung
nur nicht an die Liebe, das ist alles.« Damit ist das Gespräch offensichtlich für ihn beendet, denn er wendet sich wieder seinen E-Mails zu und lässt mich mit dieser Ansage zurück.
Er glaubt nicht an die Liebe. Wie traurig.
Die letzten Takte des Liedes verklingen und eine ältere Dame im schwarzen Kostüm, die aussieht wie eine reifere Version der Braut, tritt an das im Altarraum stehende Mikrofon. Umständlich holt sie einen zusammengefalteten Zettel aus ihrer Handtasche und beginnt zu lesen:
»Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, und hätte die Liebe nicht, und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.«
Triumphierend sehe ich zu dem Mann an meiner Seite, ob diese schönen Worte nicht doch irgendeinen Eindruck bei ihm hinterlassen, aber der hört gar nicht hin. So sehr ich auch versuche, mich auf die Bibelverse zu konzentrieren, die negative Energie dieses Menschen macht es mir unmöglich. Kurz entschlossen rutsche ich noch weiter weg von ihm, bis an das andere Ende der Holzbank. Von hier aus ist mir allerdings der Blick auf das Brautpaar versperrt. Also warte ich, bis die Mutter der Braut ihre Evangeliums-lesung beendet hat, und nutze den Moment der leichten Unruhe, um gebückt fünf Reihen nach vorne zu hasten und mich dort auf dem äußersten Rand der Sitzbank niederzulassen. Die neben mir sitzende alte Dame mit der lilafarbigen Dauerwelle zuckt zusammen und stößt einen erschrockenen Laut aus.
»Entschuldigen Sie«, wispere ich verlegen, denn das habe ich natürlich nicht gewollt.
»Haben Sie mich erschreckt«, beschwert sie sich, ohne ihre Stimme auch nur im Mindesten zu senken.
»Es tut mir leid«, wiederhole ich ein bisschen ungehalten, weil sie so ein Theater macht und sich die anderen Gäste schon nach uns umdrehen. »Ich konnte von hinten nichts sehen und da dachte ich …« Mitten im Satz verstumme ich und starre ungläubig in das Gesicht des Mannes vor mir, der ziemlich schockiert zurückschaut.
»Timo«, sage ich lautlos. Seine blonden Haare sind kürzer und statt des schwarzen Ungetüms von einer Brille, die früher sein Gesicht beherrscht hat, trägt er jetzt ein dezentes, randloses Modell. Aber es ist ohne Zweifel mein Timo. Dieselben schönen, grünen Augen, derselbe sinnliche, zum Küssen einladende Mund. Was macht der denn hier? Und was ist das bitte für ein Zufall? Was rede ich denn da? Zufall? Es ist Schicksal. Ich lächele meinen Exfreund an und er verzieht das Gesicht zu etwas, das ich mit etwas gutem Willen als Grinsen interpretieren möchte. In diesem Moment dreht sich auch seine Nachbarin zu mir um, eine blonde Frau in meinem Alter.
»Timo, was ist denn los? Wer ist das?«, höre ich sie flüstern. Er zuckt zusammen.
»Niemand«, gibt er zurück, weicht meinem Blick aus und wendet mir den Rücken zu. Schockiert starre ich auf den schwarzen Stoff seines Jacketts. Wie jetzt? Niemand? Ich lehne mich ein Stück nach vorne und sehe meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Timo hält Händchen mit der Blonden. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen. Es übertönt sogar die Stimme des Pastors, der sich nun an das Brautpaar wendet und für die Gemeinde noch einmal zusammenfasst, wie die beiden sich kennen- und lieben gelernt haben. Normalerweise liebe ich diesen Teil der Trauung. Weil die Geschichten so vielfältig sind. Und so einzigartig. Manche Paare haben vor dreißig Jahren miteinander im Sandkasten Burgen gebaut, andere trafen sich im Supermarkt oder durch eine Kontaktbörse im Internet. Die Liebe geht seltsame Wege, aber welchen auch immer sie einschlägt, irgendwie findet sie einen. Doch im Moment habe ich keinen Sinn für diese Art von Magie. Ich stehe unter Schock. Keinen Meter von mir entfernt sitzt mein Exfreund mit seiner neuen Flamme und tut so, als würde er mich nicht kennen. Was fällt dem ein? Plötzlich merke ich, wie eine unbändige Wut in mir hochsteigt und obwohl ich die kleine, warnende Stimme in mir deutlich höre, lehne ich mich vor und tippe Blondie auf die Schulter. Sie wendet sich zu mir um und sieht mich fragend aus großen braunen Augen an. Ich muss zugeben, dass sie hübsch ist, und das macht mich noch wütender.
»Ich bin seine Exfreundin Mia. Vielleicht hat er mich mal erwähnt«, zische ich ihr zu. »Ich nehme an, du schläfst jetzt mit ihm in meinem Bett.« Timos Kopf fährt herum und
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