Liebe mit beschrankter Haftung
an Idefix vorbei. Als der ihr schwanzwedelnd folgen will, weist sie ihn mit einem Fauchen in seine Schranken und stolziert von dannen, ohne mein Hundchen noch eines Blickes zu würdigen. Obwohl ich ein solches Verhalten natürlich empörend finde und meinen bis ins Mark getroffenen Hund sogleich auf den Arm nehme, kann ich die Katzendame auch irgendwie verstehen. Verdauungsstörungen sind natürlich alles andere als romantisch. Dennoch kraule ich dem winselnden Idefix den Kopf und flüstere ihm zu: »Wenn sie dich nicht so liebt, wie du bist, dann liebt sie dich nicht wirklich.«
Trotz der Abfuhr, die er von der Nachbarskatze bekommen hat, stellt es sich als ausgesprochen schwierig heraus, Idefix zur Heimreise zu bewegen. Während er normalerweise auf den Rücksitz springt, sobald ich nur die Türe aufmache, sitzt er heute reglos auf dem Kopfsteinpflaster und sieht mich vorwurfsvoll an. Er läuft sogar vor mir weg, als ich versuche ihn hochzunehmen, sodass ich nach einer halben Stunde schließlich aufgebe und beschließe, den Abend bei meinen Eltern zu verbringen. Was wartet denn zu Hause schon auf mich? Ein endlos langer Sonntagnachmittag, eine leere Wohnung und eine wabbelige Pizza vom Lieferservice. Hier bekomme ich dagegen ein selbst gekochtes Essen und kann am Abend mit meiner Mutter unserer gemeinsamen Leidenschaft frönen, die ich im echten Leben eher unter Verschluss halte. Tatsächlich wissen nur Kati und Daniel davon. Sicher, Timo auch, aber der hat sich von Anfang an so dermaßen darüber lustig gemacht, dass ich mein Hobby ihm zuliebe aufgegeben habe. Wenigstens zum Schein. So habe ich die Sonntagabende neben ihm auf der Couch verbracht und so getan, als könnte ich dem Tatort irgendwas abgewinnen. Und wenn mir das Geballere zu laut und die Geschichte zu spannend wurde, habe ich mich auf Dienstagabend gefreut. Denn dienstags ging Timo immer mit seinen Freunden zum Volleyball und danach einen trinken. Und ich hatte meinerseits einen Mädchenabend. Mit Inga. Oder Rosamunde.
»Heute läuft eine Pilcher-Verfilmung«, verkündet meine Mutter nach einem Blick in die Fernsehzeitung, was ich längst weiß.
»Super«, sage ich.
»O Gott«, findet mein Vater und macht sich aus dem Staub. Oder genau genommen auf den Weg in den Keller. Ich frage mich, was Männer im Keller eigentlich so tun, stundenlang. Mein Vater vergräbt sich in seinem »Werkraum«, der, nebenbei gesagt, fast so groß ist wie meine gesamte Wohnung, und puzzelt vor sich hin, ohne jemals irgendein Ergebnis zu produzieren. Warum nur hört man es trotzdem aus dem Werkraum hämmern, sägen und bohren? Das wird mir für ewig ein Rätsel bleiben. Aber manche Dinge zwischen Männern und Frauen müssen vielleicht auch nicht endgültig geklärt werden. Und immerhin überlässt mein Vater uns ohne zu murren das Feld, beziehungsweise den Fernseher, damit wir unsere Neujahrsschnulze ansehen können. Der Abend ist gerettet. Ich liebe Rosamunde Pilcher. Da! Ich habe es gesagt: Ich liebe Rosamunde Pilcher. Und dazu stehe ich, auch wenn viele Leute meiner Generation alleine bei der Nennung dieses Namens einen Würgreflex zu bekommen scheinen. Vielleicht bin ich wirklich ein bisschen seltsam. Und ganz sicher senke ich den Altersdurchschnitt der Zuschauer um mindestens zwanzig Jahre. Aber ich liebe nun einmal seichte Liebesfilme mit garantiertem Happy End. Ich liebe bunte Farben und schöne Landschaftsaufnahmen. Ich liebe eine Welt, in der auch Frauen, die nicht mehr ganz jung sind, noch die große Liebe finden. In der Frauen mit Ende dreißig so naiv und unschuldig (und knackig) wie Teenager sein dürfen. Eine Welt, in der es nie regnet, die Menschen in Schlössern wohnen und die Hunde niemals pupsen. Und so verfolge ich gemeinsam mit meiner Mutter die Liebesgeschichte von Nancy Winterborough und Jonathan Harolds, träume mich weg in eine Welt, in der es Waschsalons nicht zu geben scheint und sich zwei Liebende beim vierten Date verloben, anstatt sich im vierten Jahr zu trennen.
Nach dem Film bin ich so weichgespült, dass ich Timo in einem Anflug von Großherzigkeit doch noch eine Neujahrs-SMS schreibe. Keine Liebesschwüre oder Ähnliches natürlich, nur ein knapper, freundschaftlicher Gruß:
WÜNSCHE DIR EIN FROHES NEUES JAHR
UND HOFFE, ES GEHT DIR GUT!
LIEBE GRÜSSE VON MIA
In dieser Nacht kann ich nicht schlafen. Alle fünf Minuten schrecke ich hoch und taste nach meinem Handy, das auf meinem Nachttisch liegt und keinen Ton von sich gibt. Obwohl
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