Liebe mit beschrankter Haftung
alles gut. Frohes Neues«, sagt sie.
»Danke. Schon nach zwölf?« Er linst verschlafen in Richtung der Fensterfront, hinter der der Nebel noch dichter geworden ist. »Was ist denn da draußen los? Geht die Welt unter?«
»Nicht heute Nacht. Wir wollten gerade anstoßen. Na los, kommen Sie doch!« Energisch winkt die kleine Frau mich zu sich heran.
»Ähm, ich habe aber leider nur ein Glas«, gebe ich zu bedenken.
»Kein Problem, ich hab hier was.« Erstaunlich energetisch beginnt Hartmut, in seinen Plastiktüten zu kramen und zieht schließlich eine leere Pfandflasche hervor. »Das wird wohl gehen.« Ich gieße den teuren Champagner in seine Aldi-Mehrweg-Flasche, dann fülle ich die Sektflöte und reiche sie Hilde. Ich selbst nehme die Flasche. Feierlich erheben wir unsere Trinkgefäße und ich fühle mich plötzlich ganz merkwürdig in dieser seltsamen Silvesterrunde. Doch Hilde nickt mir freundlich zu und auch Hartmut lächelt und entblößt dabei sein sehr lückenhaftes Gebiss. »Auf ein glückliches neues Jahr! Wünscht euch was!«, sagt Hilde und mit einem unebenen Geräusch stößt Plastik an Glas. Ich setze die Flasche an den Mund, schließe die Augen und nehme einen tiefen Zug. Das prickelnde Getränk rinnt mir über die Zunge und die Kehle hinunter, während der Gedanke durch meinen Kopf schießt: Ich will eine eigene Waschmaschine. Erschrocken reiße ich die Augen wieder auf und versuche, den Wunsch zurückzudrängen, aber zu spät. Schlagartig fallen mir tausend Dinge ein, die ich mir hätte wünschen können: die große Liebe, eine Familie, von mir aus auch Weltfrieden oder genug zu essen für alle Menschen. Und was wünsche ich mir? Ein Haushaltsgerät.
Kapitel 2
Als ich am nächsten Morgen gegen elf in meinem himmelblauen, von den Silvesterknallern mit einer dicken Staubschicht überzogenen Corsa zu meinen Eltern aufbreche, um Idefix abzuholen, hat sich der Nebel einigermaßen verzogen. Wie an jedem Neujahrsmorgen ist die Stadt wie ausgestorben. Berge von abgebrannten Silvesterknallern liegen schlapp, grau und durchnässt in den Straßen und schaffen eine düstere Atmosphäre. Während ich auf die leere Autobahn Richtung Husum auffahre, wandern meine Gedanken unwillkürlich zu meinem Exfreund. Wie er wohl den gestrigen Abend verbracht hat? Sicher nicht im Waschsalon, so viel ist sicher. Bei meinem Auszug vor vier Monaten habe ich nämlich die Spülmaschine mitgenommen und ihm im Gegenzug die Waschmaschine dagelassen. Schon merkwürdig, dass man vier Jahre sein gesamtes Leben mit jemandem teilt, und dann verschwindet er von einem Tag auf den anderen und man weiß nichts mehr von ihm. Nicht, was er macht oder wie es ihm geht. Eigentlich schade. Sicher, direkt nach unserer Trennung vor vier Monaten war die absolute Funkstille, die Timo uns verordnet hat, das einzig Richtige. Ich habe mich nämlich mit dem Ende unserer Beziehung schwergetan. Mancher würde vielleicht behaupten, dass ich mich kurzzeitig in eine Stalkerin verwandelt habe, wenn man denn dieses böse Wort für eine liebeskummergeplagte Frau verwenden muss, die öfter mal unangekündigt vor der Haustür ihres Exfreundes auftaucht. Oder ihn ab und zu mal anruft. Tagsüber. Nachts. Im Minutentakt. Ich spüre, wie mir bei der Erinnerung die Schamesröte ins Gesicht steigt. Aber in emotionalen Ausnahmesituationen neige ich leider zu irrationalem Verhalten. Ich hoffe, dass ich in Timos Erinnerung nicht das Häufchen Elend bin, als das er mich zuletzt gesehen hat. Sondern dass er auch an unsere schönen Zeiten denkt. Dass er mich vielleicht sogar manchmal vermisst. Mit der rechten Hand krame ich in meiner auf dem Beifahrersitz liegenden Tasche nach meinem Handy und werfe einen prüfenden Blick auf das Display. Wäre doch möglich, dass er mir eine SMS geschickt hat. Als Friedensangebot. Das würde sich doch anbieten zum Jahreswechsel. Aber Fehlanzeige. Obwohl ich nicht wirklich damit gerechnet habe, bin ich enttäuscht. Vielleicht sollte ich ihm eine Nachricht schicken? Nichts Emotionales natürlich, nur einen lockeren Neujahrsgruß, der zwischen den Zeilen sagt: Hey, bei mir ist alles gut! Und ich bin auch nicht mehr sauer, also musst du nicht befürchten, dass ich bei unserer nächsten Begegnung wieder das Rumpelstilzchen gebe. Die alte Mia ist zurück. Ich werfe einen Blick auf die Uhr, es ist kurz vor halb zwölf, und beschließe, die Entscheidung um ein paar Stunden zu vertagen. Wer eine richtig coole Silvesternacht hatte, kriecht nicht
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