Liebe, Sex und andere Katastrophen
Ohren. Es war eine völlige innere Zerrissenheit: Einerseits konnte ich nicht genug darüber erfahren, andererseits konnte ich den ersten Aufklärungsunterricht in der zweiten Klasse kaum ertragen, so peinlich war mir das alles. Auch als ich entdeckte, dass in unserem Erste-Klasse-Lesebuch, der Fibel, eine Geschichte mit einer sogenannten Uschi vorkam, hatte ich panische Angst vor dem Tag, an dem diese Geschichte im Unterricht dran kam. Das dumme Gekicher wegen dem augenscheinlichen Reim und die blöden Sprüche, die erstaunlicherweise schon 7jährige von sich geben können, waren einfach zu viel für mich.
Sehr genau erinnere ich mich daran wie ich erfuhr, was „ficken“ eigentlich bedeutet. Ich war sechs Jahre alt, hatte also schon zwei Jahre Masturbations-Erfahrung, ohne davon zu wissen, und ging mit einer Schulfreundin nach Hause. Diese Freundin gehörte zu den besonders frechen Mädchen aus der Klasse, mit extrem großer Klappe, die oft von Jungs geärgert wurde. Für mich interessierte sich nie ein Junge, ich war eben die doofe unscheinbare stille Streberin mit den kurzen Haaren. Das Mädchen alberte herum und fragte mich herausfordernd, ob ich denn wüsste, was „ficken“ bedeutet. Ich war ganz verlegen, denn ich hatte dieses böse Wort natürlich schon öfter gehört. Aber was es bedeutete, wusste ich wirklich nicht. Und so antwortete ich selbstbewusst: „Na, wenn Mann und Frau sich küssen!“ Das Mädchen prustete los, lachte sich halb schlapp und klärte mich dann auf: „Mann, bist du doof! Ficken ist, wenn der Mann seinen Puller in die Muschi von der Frau steckt!“ Wums. Stille. Ach du Schreck. Das waren vielleicht News! Ich war völlig schockiert, nicht nur von der rein inhaltlichen Tatsache, auch davon, dass sie es wagte, diese Worte einfach so auszusprechen. Denn für mich waren die beschreibenden Worte der primären Geschlechtsorgane absolute Tabus. Ich bringe sie bis heute kaum über die Lippen. Ich ließ mir nichts anmerken, denn das coole Mädchen durfte von meiner peinlichen Unwissenheit natürlich nichts wissen. Innerlich war ich jedoch bis ins Mark erschüttert und dachte nur: Oh mein Gott, das geht?!
Heute weiß ich, ja, es geht. Und wie. Es macht, wenn richtig praktiziert, ordentlich Spaß. Und auch darüber zu reden, ist längst nicht mehr peinlich. Die Mädels von „Sex and the City“ zelebrieren es genauso wie ich es mit meinen Freundinnen tue. Jungs, nehmt euch in Acht, wenn ihr wüsstet, über was wir reden! Wir reden und lachen völlig ungeniert über Praktiken, Erfahrungen, Kuss- und Liebesqualitäten sowie Schwanzlängen unserer derzeitigen Bettgesellen. Dabei sind wir ganz schrecklich indiskret. So weiß ich um die sexuellen Faux-Pas eines One-Night-Stands einer lieben Freundin. Welcher Frau klappt beim Kopulieren nicht die Kinnlade runter, wenn der Kommentar fällt: „Boah, hast du ne geile Muschi!“? AAAAHHHHHH!!!!!!! Richtig: Dirty talk ist eine Gratwanderung, muss gelernt sein und sollte unbedingt zum Typen passen. Derjenige glich eher einem etwas moppeligen Albino-Erdmännchen, dem seine Porno-Fantasien durchgingen. Regel: Das, was du im Porno siehst, lieber Mann, ist nicht annähernd, aber auch nicht der Hauch einer annähernden Annäherung, Realität.
Ich blicke nun auf 15 Jahre Sex- und Liebeskarriere zurück, und logo, die ist noch lange nicht beendet. Ich beobachte immer wieder, wie sich die Dinge ändern. Oder auch nicht. Ich mache trotz schmerzlichster Erfahrungen immer wieder die gleichen dämlichen Fehler und stürze mich bei vollstem Bewusstsein immer wieder gerne selbst in die größten Liebeskatastrophen. Ich habe verletzt und wurde verletzt. Ich war armes Liebes-Opfer, ich war Arschloch. Ich habe betrogen und wurde betrogen. Ich hatte tollen Sex, ich hatte spooky Grusel-Sex, ich hatte weltverändernden Sex, ich hatte 08/15-Sex, ich hatte bekifften Sex, ich hatte betrunkenen Sex, ich hatte lustigen Sex, ich hatte romantischen Sex, ich hatte versauten Sex. Mit mir selbst und mit anderen. Mittlerweile bin ich gelassener geworden und habe einfach Sex, ohne mich, wie im Teenager-Alter, all zu sehr darüber verrückt zu machen, ob ich schön bin und dem Typen auch gefalle. Darüber bin ich echt froh. Ich kann jetzt „Nein“ sagen und aussichtsloses Rumgefummel auch mal charmant, oder wenn der Typ Kacke ist, auch eiskalt abbrechen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe Varianten ausprobiert, die ich früher nie für möglich gehalten hätte.
Ich
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