Liebe stand nicht auf dem Plan
sieht Maika an und runzelt fragend die Stirn.
Sie verdreht die Augen und murmelt: »Keath, der Mathematiker, löst die komplexesten Aufgaben im Kopf.« Dann lächelt sie ihn an. »Apropos Zahlen, kannst du mir ’n Zehner leihen? Ich hab kein Geld mit.«
Keath schüttelt den Kopf. Maika sieht Mehmet an, aber der sagt nur: »Apropos Zehner, wenn Leif erst um zehn kommt, dann müssen wir mehr ackern. Ich mach jetzt ’ne Aufgabenliste. « Mehmet kann beides: Döner essen, ohne sich die Klamotten zu versauen, und eine Liste schreiben.
»Bald werde ich sechzehn«, sagt Nora.
»Aber bis dahin musst du abzischen, wenn Leif den vollen Club und die vollen Kassen an sich reißt. Oder hat deine Mutter ihm etwa einen Erziehungsberechtigungs-Wisch ausgestellt?«, fragt Maika.
Nora nickt. Peinlich, peinlich, aber Leif hat darauf bestanden, ohne hätte sie den Job nicht bekommen. Und um zehn muss Nora sowieso zu Hause sein. Yolanda, ihre Mutter, ist da kompromisslos. »Und du?«
»Ich bin schon sechzehn und darf offiziell bis zur Geisterstunde bleiben«, sagt Maika und beißt in ihre türkische Pizza, die sie nicht bezahlen kann.
Sie klingt nicht selbstgefällig, sondern wie immer leicht verpennt, weil sie so langsam und gedehnt spricht. Die Kerle im Club interpretieren das als schläfrigen Charme und fahren voll darauf ab.
Mehmet hält es für Maikas Strategie, alle auf ihr Arbeitstempo herunterzufahren, und das ist sehr gemächlich. »Quatscht nicht, haut rein. Ich hab nicht ewig Zeit.«
Inoffiziell bleibt Maika länger im Club. Nora hat sie auf über achtzehn geschätzt, mindestens so alt wie Keath. Mehmet ist siebzehn. Keath hat Nora dagegen für jünger gehalten. Ihm fallen zu ihr nur Worte wie apart, zart, zierlich ein. Aber er weiß, dass sie einen florierenden Handel mit Musik-C Ds und USB-Sticks mit MP3-Downloads betreibt und sich von keinem über den Tisch ziehen lässt.
»Ich versteh nicht, wie du schon in der Zehnten sein kannst«, bohrt Maika nach.
»Bin mit fünf eingeschult worden und musste erst mal auf Atlanten sitzen, weil ich meine Arme nicht auf den Tisch legen konnte. Später kriegte ich ein fettes Kissen auf ’n Stuhl, das war … cool.«
»Und wann bist du aus Polen weggezogen?«
»Mit neun.« Nora grinst. »Seither versuche ich, Deutschen den Arbeitsplatz wegzunehmen. Also, lass hören, Türke. Was sollen wir tun?«
Die Liste ist lang. Mehmet hört mit dem Aufzählen gar nicht mehr auf.
Maika protestiert: »Mann, das klingt anstrengend.«
Er sieht es so: »Wir schmeißen den Club, lernen alles, was dazugehört, und dann mach ich meinen eigenen auf.«
»Bin dabei«, sagt Nora. »Am besten, wir putzen zu viert. Während du die Technik aufbaust, können wir die Bar und den Kartenverkauf vorbereiten. Wenn dann die Bands zum Soundcheck kommen, machen wir den Rest.«
Maika schließt die Augen und rechnet sich aus, was sie bar auf die Kralle dazuverdienen wird. Das ist das Einzige, was sie interessiert.
»Leif soll Schließfächer mieten, dann können wir den Garderobendienst knicken«, schlägt Nora vor.
Da hat sie wieder Maikas volle Aufmerksamkeit. »Spinnst du, das ist der leichteste Job von allen und außerdem meiner! Der wird nicht wegrationalisiert, damit Leif gemütlich im Büro abhängen kann, während ich an der Bar durchdrehe, bis Lars mich ablöst.« Sie ist empört. »Schließlich will ich auch feiern und nicht nur schuften.«
Nora zuckt zusammen, daran hatte sie nicht gedacht. Den Arbeitsplatz-Spruch hatte sie als Witz gemeint. Ihr wird ganz übel bei dem Gedanken, dass Maika das ernst nehmen könnte.
»Ich hab noch dein Jaulen im Ohr über die furchtbaren Schmerzen im Arm vom Jackenschleppen«, pariert Mehmet, dem Maika sehr auf die Nerven geht, wenn sie nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. »Schon mal daran gedacht, dass Leif die Bands bucht, zu denen du so gern abfeierst? Der Club wär nichts, wenn er nicht so einen genialen Riecher für Newcomer hätte. Es ist sein gutes Recht, sich aus dem nervigen Alltagskram rauszuhalten, und wir unterstützen ihn dabei.«
»Übernimm doch meinen Einlass-Job, dann kannst du dafür sorgen, dass nur die reinkommen, mit denen du abhängen willst«, bietet Keath Maika an.
»Oh nein, lieber Keath, dann bleiben die Mädchen weg, die du immer anbaggerst. Die Kerle kommen dann immer noch wegen mir, aber wenn ich die Einzige bin, wegen der sie antanzen, bleiben sie irgendwann auch weg.«
»Hä? Er und baggern?« Mehmet legt seinen Arm
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