Liebe und Marillenknödel
Sprüngen dort, wo es hergekommen ist. Ich muss schon wieder lächeln und spüre, wie mir gleichzeitig ein Kloß im Hals schwillt, ganz einfach nur, weil ich so irre, irre glücklich bin.
Es gibt Dinge, auf die hat man einfach keinen Einfluss – das Wetter, die Natur und darauf, um wie viel Prozent ein Paar Schuhe im Schlussverkauf herabgesetzt wird. Aber alles andere kann man gestalten, man kann kämpfen und Einfluss nehmen.
Ich lege den Kopf in den Nacken. Die Farbe des Himmels verändert sich langsam, von gelbgrau zu blau. Ein Vogel zwitschert, ganz in meiner Nähe, und plötzlich fängt mein Herz an zu pochen, so schnell wie das eines Kolibris.
Es gibt einen Weg, Nick zu zeigen, wie es in mir drin aussieht. Es gibt sogar ein Rezept dafür.
Plötzlich bin ich mir ganz sicher.
Ich gehe zurück ins Haus und schleiche direkt in die Küche. Sogar durch die Sohlen meiner Chucks kann ich spüren, wie knochig kalt die Fliesen so früh am Morgen noch sind. Ein kühler Luftzug fährt mir um die Knöchel, ich sehe mich in der Küche um und nehme Tante Johannas Kochbuch aus dem Regal.
Ich streiche mir eine Locke hinters Ohr und suche die richtige Seite. Dann setze ich Wasser in einem großen Topf auf.
In der Vorratskammer finde ich Kartoffeln, die wie ruppige, kleine Lebewesen in einer Holzkiste liegen. Ich suche ein paar davon aus, lege sie in eine Schüssel aus Plastik und trage sie zur Spüle. Ich wasche sie, schrubbe ihnen den widerspenstigen Dreck vom Leib, dann lasse ich eine nach der anderen ins sprudelnde Wasser plumpsen. Ich stelle die Küchenuhr ein und platziere sie gut sichtbar neben dem Herd. Sie fängt leise an zu ticken.
Tick. Tick.
Ich wische mir die Hände an einem Küchentuch ab. Dabei fällt mein Blick auf die Neue Südtiroler Tageszeitun g von gestern, die immer noch auf der Anrichte liegt. SKANDAL IM WELLNESSTEMPEL , steht groß unter dem Titel, und kleiner darunter: Hoteldirektor verhaftet – Verdacht auf Korruption und Anstiftung zur Brandstiftung. In dem Artikel steht, dass die Polizei in Müller-Bachs Büro nicht nur Hinweise auf den Deal mit Jirgl beschlagnahmt hat, sondern auch welche auf nicht ganz legale Absprachen mit dem Amt für Raumentwicklung. Das Alreiner Grundstück wäre nämlich nie im Leben als Baugrund freigegeben worden, hätte sich die vorstehende Direktorin nicht diverse finanzielle Gefälligkeiten erweisen lassen. Aber der eigentliche Irrsinn ist der, dass dieser Müller-Bach so dumm war, all die Unterlagen, die seine Machenschaften beweisen, aufzuheben – und das nicht in einem Bankschließfach oder irgendeinem anderen geheimen Ort, sondern schlicht und einfach in seinem Büroschrank.
Das kommt dabei heraus, wenn Spießer versuchen, Dinge zu tun, für die statt Ordnungssinn kriminelle Energie nötig wäre. Mir wäre so etwas nicht passiert. Ich bin ja schon froh, wenn ich im Mai den Schuhkaton mit den Quittungen für die Steuererklärung finde.
Die Küchenuhr bimmelt. Mit einer Gabel steche ich in eine Kartoffel, um zu sehen, wie weich sie inzwischen ist – sie scheint fast ein bisschen zu durch, aber na ja, es wird schon gehen. Ich gieße das Wasser ab und fange vorsichtig an, die Kartoffeln zu schälen. Sie sind noch schrecklich heiß, und die Schale geht nicht sehr leicht ab – einmal fällt mir eine von der Gabel und zerplatzt vor meinen Füßen.
Ruhig, Sophie, denke ich. Keine Panik. Das hier wird dir gelingen.
Mit dem Ding, das aussieht wie eine Knoblauchpresse, bloß in riesig, lasse ich meiner destruktiven Ader freien Lauf und drücke die Kartoffeln in eine Schüssel. Ich gebe Butter dazu und Eier und verrühre das Ganze mit dem Grieß und dem Mehl. Eine Prise Salz noch, dann nehme ich die Masse aus der Schüssel und knete sie so, wie ich es bei Nick beobachtet habe.
Der Teig ist weich und warm und anschmiegsam unter meinen Händen. Der Kloß in meinem Hals hat sich längst aufgelöst. Ein Hochgefühl macht sich in mir breit, und ich bemerke, dass ich angefangen habe, ein stilles Lied zu summen.
Frau Jirgl ist gleich vor zwei Tagen aufs Polizeipräsidium marschiert und hat dort die Unterlagen abgegeben, die sie zunächst mir überlassen hatte. Nicht nur, dass der Capitano die Verbindung zu meinen Cousinen höchst interessant fand – auch Herr Jirgl hat daraufhin endlich ein Geständnis abgegeben, das nicht nur die versuchte Brandstiftung, sondern auch die Sache mit Gianni umfasste, zuzüglich der regelmäßigen Sabotage des Telefonkabels, dieser einen
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