Liebe und Vergeltung
Lächeln, und unvermittelt fühlte sie die Anspannung weichen. Sie wandte sich dem Vikar zu, und die Zeremonie nahm ihren Anfang.
Zur größten Überraschung hörte Sara sich mit fester Stimme sagen, daß sie, Sara Margaret Mary St. James, entschlossen wäre, Mikahl, Prinz Balagrini von Kafiristan, zum Gemahl zu nehmen, und glücklich lächelnd ließ sie sich von ihm den eigens für sie angefertigten Ring auf den Finger streifen.
Und dann war sie vor Gott untrennbar mit Mikahl verbunden. Er nahm sie in die Arme, küßte sie und raunte ihr zu: „Sara, Liebste, jetzt bist du meine Frau!“
Halls benommen ließ sie sich dann von Alastair umarmen und spürte, daß er ihr mit seiner Zuneigung nicht nur seine Freude, sondern auch das wortlose Versprechen zu verstehen gab, ihr beizustehen, falls sie seiner je bedurfte.
Wie im Traum schritt sie neben dem Gatten den Gang entlang, nahm Glückwünsche entgegen, sah Tante Marguerite weinen, die neben Mikahls Bekanntem stehende Jane Miller schluchzen und den alten Stallmeister, der sie nach dem Unfall ins Haus getragen hatte, sich vor Rührung die Tränen aus den Augen wischen.
Auf der Fahrt schmiegte sie sich an den Gemahl, der während der folgenden Festlichkeiten nie von ihrer Seite wich, bis es für sie Zeit wurde, sich zur Hochzeitsreise umzukleiden. Jane half ihr in ein elegantes kariertes Linonkleid, setzte ihr das federgeschmückte Häubchen auf und legte ihr den geschlitzten Mantelet um die Schultern.
Minuten später war Sara mit Mikahl allein in der davonrollenden Equipage, winkte Gästen und Verwandten zu und fühlte sich unversehens scheu, als Haddonfield Hall ihren Blicken entschwand. „Ich bin froh, daß wir hier geheiratet haben“, bemerkte sie leise. „Ein großes gesellschaftliches Ereignis daraus zu machen, war nicht in meinem Sinn. Der kleinere, intimere Rahmen hat mir mehr gefallen. Aber ich bin erleichtert, daß alles vorbei ist.“
„Ja, eine Hochzeit ist recht anstrengend“, stimmte Mikahl schmunzelnd zu. „Kannst du dir vorstellen, wie erschöpfend es für einen Moslem sein muß, der sich vier Ehefrauen gleichzeitig nehmen kann?“
„Die Gästelisten und die Sitzordnung bei Tisch würden mich in ungeheure Probleme stürzen“, bekannte Sara lächelnd.
Mikahl merkte, daß ihre gelassene Haltung nur äußerlich war, und konnte es ihr nicht verargen. Schon in der Kirche war bei ihm der Eindruck entstanden, daß Sara der Zukunft mit einer gewissen Angst entgegensah, obgleich sie ihm ihr weiteres Los sichtbar glücklich anvertraut hatte. Was mochte sie bewogen haben, das Schicksal herauszufordern und ihn zu heiraten? Nur mit der Erklärung, sie fühlte sich körperlich zu ihm hingezogen, ließ die Frage sich nicht beantworten.
„Wohin reisen wir?“ erkundigte sich Sara und zog die weißen Glacehandschuhe aus.
„Ich habe darauf gewartet, daß du das wissen möchtest“, sagte Mikahl belustigt. „Wir fahren nach Sulgrave Manor, es sei denn, es ist dir nicht recht.“
„Hast du ein bestimmtes Gasthaus im Auge, wo wir übernachten werden? Das ,Black Horse' in Oxford ist empfehlenswert. Es liegt etwa auf halbem Wege.“
„Wir müssen die Fahrt nicht unterbrechen“, erwiderte Mikahl und schüttelte den Kopf. „Heute abend sind wir zu Haus.“ „Bist du dir dessen so sichefr?“
„Ja. Laß dich überraschen.“
„Also gut, dann überrasche mich“, gab Sara nach.
Eine Weile schaute sie zum Fenster hinaus und drehte unruhig den Ring hin und her, so daß Mikahl nicht entging, wie nervös sie war. Einem Impuls folgend, zog er sie an sich und setzte sie sich auf den Schoß. „Ist das nicht etwas angenehmer?“ fragte er lächelnd.
Sara brauchte einen Moment, bis sie sich von der Überraschung erholt hatte. „Wie gut, daß Jenny und Kuram uns in einer anderen Kutsche folgen“, antwortete sie und strich sich den Rock glatt. „Nachdem die beiden sich solche Mühe mit unserer Garderobe gegeben haben, hätten sie bestimmt etwas dagegen, wenn sie sehen könnten, wie achtlos wir sind.“ „Sara, als ich dir versprach, dir so viel Zeit zu lassen, wie du brauchst, bezog ich mich damit nicht nur auf die Wochen bis zu unserer Hochzeit!“ sagte Mikahl ernst.
„Ich verstehe nicht, worauf du anspielst.“
„Nein? Dann werde ich es dir erklären. Früher hatten die
Hindus eine sehr lobenswerte Sitte. Nach der Trauungszeremonie lebten Mann und Frau eine Weile sehr keusch. Der Grund war, daß Mädchen in sehr jungem Alter mit Männern
Weitere Kostenlose Bücher