Liebe und Vergeltung
fördern und sich der Baronie zu versichern. Das hatte im letzten Halbjahr zu einer gefährlichen Verknappung seiner Mittel geführt. Hätten ihm nicht die Einkünfte aus den illegalen Aktivitäten zur Verfügung gestanden, wäre er längst bankrott gewesen.
Nun bereute er, daß er die Verlobung mit Sara so brüsk gelöst hatte. In seiner Wut hatte er die Folgen des unbesonnenen Schrittes nicht bedacht. Jetzt konnte er nicht mehr auf Saras Mitgift zurückgreifen. Flüchtig überlegte er, ob die Entscheidung sich rückgängig machen ließe, kam jedoch mißmutig zu der Erkenntnis, daß der Bruch endgültig war. Weder von Sara noch ihrem Vater war zu erwarten, daß sie die Beleidigungen verzeihen würden, die er am Abend des Balles in der Bibliothek von Chapelgate Court geäußert hatte. Dieser Umstand war im höchsten Maße bedauerlich. Andernfalls hätte er Sara gleich dafür büßen lassen können, daß sie ihn so hintergangen hatte. Und sie hätte sich nicht einmal wehren können! Schon Alice hatte die Auflehnung mit dem Tode bezahlt, und
Sara wäre es nicht anderes ergangen, wenn sie gewagt hätte, seinen guten Ruf in den Schmutz zu ziehen.
Welche Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet der Mann, der ihm mit seinem Reichtum jetzt hätte helfen können, Saras neuer Verlobter war! Der Prinz konnte wirklich aus dem vollen schöpfen und hatte nie mit Geld geknausert. Nach allem, was inzwischen geschehen war, verbot es sich jedoch leider von selbst, ihn um einen Kredit zu ersuchen.
Auch an Alices Verwandte konnte Charles sich nicht wenden. Nach dem Tode seiner Frau war das Verhältnis zu ihnen sehr abgekühlt. Offenbar hatte sie doch nicht den Mund gehalten und ihnen erzählt, daß sie in der Ehe nicht glücklich war. Seit dem letzten Jahr, als er den Schwiegervater vergebens um eine kurzfristige Anleihe gebeten hatte, wußte Charles in aller Deutlichkeit, daß er von dieser Seite nicht mit Unterstützung rechnen durfte.
Den Gedanken, die Bordelle zu verkaufen, verwarf er. Sie verschafften ihm ein gutes und stetiges Einkommen und obendrein die Vergnügungen, die er sich wünschte. Zudem waren Etablissements dieser Art nicht leicht zu veräußern.
Erneut dachte Charles an den Duke of Haddonfield. Saras Vater hatte wahrlich ein immenses Vermögen. Aber Charles befürchtete, daß er ihn schon bis an die Grenze des Erträglichen geschröpft hatte. Wahrscheinlich würde Haddonfield ihn nur anhören und dann sagen, er sollte sich zum Teufel scheren. Trotzdem, wenn alle Stricke rissen, mußte er auf Haddonfield zurückgreifen.
In der Zwischenzeit würde er sich eben um eine andere reiche Frau bemühen müssen, die ihm eine vorzügliche Mitgift einbrachte. Und außerdem hatte er ja noch die endlich wieder florierende L & S. Die Lage war gewiß problematisch, aber nicht hoffnungslos.
Seufzend erhob sich Charles und verließ das Arbeitszimmer.
19. KAPITEL
Bedingt durch die mit der gelösten Verlobung verbundenen Umstände hatte Sara sich entschlossen, lieber in Haddonfield Hall statt in London zu heiraten. Dankbar, wieder auf dem Lande sein zu können, kehrte Sara eine Woche vor der Hochzeit in das Haus ihrer Kindheit zurück.
In den vergangenen zwei Wochen hatte sie mit Mikahl viele gesellschaftliche Anlässe besucht und es sehr anstrengend gefunden. Gewiß, sie war von allen Leuten ausgesucht höflich behandelt worden. Das verstohlene Getuschel und die neugierigen oder befremdeten Blicke, denen sie und Mikahl sich ausgesetzt fanden, waren ihr indes nicht entgangen. Sie hatte sich bemüht, sich so unbeteiligt wie möglich zu geben, und aufatmend festgestellt, daß aus dem Gerede kein offener Skandal geworden war.
Die Tage vor der Trauung verstrichen wie ihm Fluge, und dann war die lang erwartete Stunde gekommen. Am Morgen der Hochzeit wurde Sara von Tante Marguerite geweckt, die ihr persönlich eine Trembleuse mit dem Frühstück brachte, sich zu ihr an das Bett setzte und geschäftig sagte: „Da deine Mutter nicht mehr bei uns ist, werde ich ihre Rolle übernehmen und dir erklären, was du zu wissen hast. Gottlob bist du erwachsen, vernünftig und lebenserfahren. Dennoch fürchte ich, daß dir nicht genau bekannt ist, was in der Hochzeitsnacht passiert.“
Sara lächelte, goß ein wenig Milch in die Teetasse und schaute die Tante abwartend an.
„Muß ich dir wirklich erläutern, was im Ehebett geschieht?“ fragte Marguerite gedehnt. „Falls ja, dann warne ich dich! In Worte gefaßt, sind die Einzelheiten
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