Liebe und Vergeltung
knicksend: „Das Bad ist gerichtet, Madam.“
Sara verweilte nicht lange im Bad, ließ sich von der Zofe nach dem Abtrocknen in ein reich besticktes, gerüschtes Seidennachthemd und ein passendes Deshabille helfen und schickte sie dann freundlich zur Ruhe.
Langsam begab sie sich durch das Vorzimmer in Mikahls ganz in Blau und Gold gehaltenes Schlafgemach. Die geschnitzte Decke war reich mit kunstvollen Ornamenten versehen, die sich an den Kassettentüren und sogar in den azurnen, beigefarbenen und kobaltblauen Mustern des Teppichs wiederholten. Das Himmelbett stand in einem von schweren honigfarbenen Draperien halb verhüllten Alkoven und trug einen Baldachin mit goldgetönten Samtvorhängen.
Nur wenige Gegenstände zeugten davon, daß Mikahl den Raum seit einiger Zeit bewohnte. Zwei Buddhastatuetten standen auf dem Sims des Kamines aus blauem Marmor; auf einem der zahlreichen Tischchen befanden sich ein springendes Pferd aus Jade, bunt glasierte chinesische Figürchen und die Büste eines Sphinx.
Auf dem barocken Tisch vor der zierlichen, den Alkoven vom übrigen Raum trennenden Balustrade blühten rote Rosen in einer mit asiatischen Dekors versehenen Vase. Der Anblick rührte Sara. Mikahl mußte veranlaßt haben, daß jemand sie kurz vor der Ankunft geschnitten und heraufgebracht hatte. Rot — die Farbe der Liebe.
Ein Geräusch brachte Sara dazu, sich umzudrehen. Mikahl kam aus seinem, an der anderen Seite des Schlafgemaches gelegenen Ankleidezimmer. Er trug eine eigenartige, mit einer rotgoldenen Bordüre abgesetzten Robe de chambre aus schwarzer Seide und wirkte darin wie ein Wesen aus einer fremden, unbekannten Welt. Ihn so zu sehen, ließ Sara das Herz schneller schlagen. Da sie nicht wußte, was in einer solchen Situation zu sagen angebracht war, bemerkte sie nur lächelnd: „Das ist ein wundervolles Gewand. Ich nehme an, du
hast es dir aus dem Fernen Osten mitgebracht?“
„Ja“, bestätigte Mikahl. „Es ist eine türkische Gibbeh, die ein Großwesir mir verehrt hat. Manchmal bin ich die europäische Kleidung leid.“ Er ging zu Sara, blieb vor ihr stehen und erkundigte sich besorgt: „Hat Jenny alles gefunden, was du benötigtest? Gates ist sicher ein sehr tüchtiger Butler, und ich bin dir dankbar, daß du ihn mir empfohlen hast, aber noch funktioniert in diesem Haus nicht alles so reibungslos, wie es sollte.“
„Ich habe keinen Anlaß zur Klage“, versicherte Sara. Mikahl lehnte sich an die Säule am Ende der Balustrade und schaute Sara ernst an. „Bist du sicher, daß du nicht allein schlafen möchtest?“ fragte er ruhig. „Ich werde dich nicht zwingen, etwas gegen deinen Willen zu tun, auch wenn ich nie begriffen habe, warum englische Ehepaare unbedingt auf getrennten Schlafzimmern bestehen. Schließlich ist einer der Gründe, warum man heiratet, doch die Möglichkeit, gemeinsam zu nächtigen.“ Verführerisch lächelnd, fügte er hinzu: „Wie soll die Braut sich denn an den Gatten gewöhnen, wenn sie nicht sein Lager teilt?“
Errötend zog Sara eine der Rosenblüten aus der Vase, atmete den Duft ein und sagte, während sie die Lider senkte: „Du hast dich heute erfolgreich darum bemüht, mir das Gefühl zu geben, umsorgt und umhegt zu sein. Nein, ich möchte nicht allein schlafen.“
„Das freut mich. Ich möchte dir in jeder Hinsicht zu Gefallen sein.“
Es rührte Sara, wie sehr ihm daran gelegen zu sein schien. Hätte sie ihn nicht bereits geliebt, würde sie sich auf der Stelle in ihn verliebt haben. Da sie es nicht wagte, ihm die Gefühle für ihn einzugestehen, steckte sie die Blume in die Vase zurück, schlang die Arme um ihn und bekannte schlicht: „Du machst mir mehr Freude denn jeder Mann, den ich bisher gekannt habe.“
Er straffte sich, streichelte ihr die Schultern und murmelte bewegt: „O Sara, es ist schön, dich so in den Armen zu halten, ohne daß deine Kleider mir im Wege sind.“
Sie antwortete nicht, schmiegte sich nur an ihn und hielt ihn eine Weile still umfangen. Es war wundervoll, ihm nach all den Anstrengungen des Tages so nahe zu sein und die Ruhe des
Augenblicks zu genießen.
Er strich ihr über das Haar und sagte spröde: „Verlangen nach Zärtlichkeit, Zuneigung und Liebe ist ein Teil der Natur des Menschen, Sara. Aber es ist verständlich, daß du, die durch familiäre und religiöse Einflüsse zur Zurückhaltung erzogen bist, jetzt Scheu und Hemmungen empfindest. Glaub mir, manche Frauen sind nie fähig, ihre Ängste zu bewältigen, und
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