Liebe und Vergeltung
vermählt wurden, die recht betagt waren. Man wollte vermeiden, daß die blutjungen Geschöpfe einen Abscheu vor dem Gatten bekamen, wenn die bereits erfahrenen Männer auf der Ausübung der ehelichen Rechte bestanden. Die Hochzeitsnacht wurde verschoben und erst dann vollzogen, wenn der Mann sicher war, daß seine Gemahlin sich an ihn gewöhnt hatte.“
Wider Willen mußte Sara lachen und fragte erheitert: „Ist es nicht zu spät, ein Feuer löschen zu wollen, das man selbst gelegt hat?“
Mikahl war froh, daß sie sich entkrampfte und gelöster wurde. „Nein“, antwortete er und strich ihr sanft über die Wange. „Im Kern hat meine Geschichte viel Wahres. Ich habe dich bedrängt und verstört, Sara. Von nun an werde ich nie wieder etwas von dir verlangen, sofern du nicht von dir aus bereit bist, es mir zu schenken.“
„Wird dir das nicht schwerfallen?“
Es sah ihr ähnlich, nicht an sich und nur an andere zu denken. „Ich hoffe, du wirst mich höchstens Tage und nicht Monate hinhalten“, gestand er trocken. „Aber mach dir um mich keine Gedanken. Unsere Zukunft ist es mir wert, dir Gelegenheit zu geben, mit dir im Einklang zu sein. Die Vorfreude auf kommende Genüsse genügt mir.“
„Du bist ein bemerkenswerter Mensch“, erwiderte Sara herzlich. „Ich danke dir.“ Einen Arm um seinen Rücken schlingend, legte sie ihm die andere Hand auf die Brust, lehnte den Kopf an seine Schulter und kuschelte sich in seinen Arm.
Nachdenklich hielt er sie umfangen. Natürlich fiel es ihm schwer, sich zu beherrschen, besonders jetzt, da er sie so nahe an sich spürte. Im Gegenteil, es war schwieriger, als er vermutet hatte. Doch dies war eines der wenigen Male, wo sie sich nicht innerlich gegen ihn sträubte, und dieser Augenblick lohnte jede Mäßigung.
Behutsam streichelte er seiner Gattin die Schulter und merkte, daß sie, eingelullt durch das gleichmäßige Rollen der Räder, eingeschlummert war. Sie wirkte vollkommen entspannt, und plötzlich wurde ihm bewußt, daß auch er einen inneren Frieden empfand, den er in dieser Form noch nie erlebt hatte.
„War es nicht himmlisch, Eure Hoheit, mit der Eisenbahn zu fahren?“ fragte Jenny begeistert, während sie Lady Sara im Ankleidekabinett das steifleinene Mieder aufschnürte. „Kein anderer als Seine Hoheit wäre auf den Gedanken gekommen, einen Salonwagen nur für uns vier zu mieten!“
„Ja, es war eine zauberhafte Idee!“ stimmte Sara zu und atmete befreit auf, nachdem sie von dem einengenden Korsett befreit war. „Jetzt verstehe ich, warum Eisenbahnen so beliebt werden. Sie sind schnell und übertreffen auf langen Reisen bei weitem den Komfort von Kutschen.“
Mikahl hatte nicht für nur den Salonwagen gesorgt, auch für ein üppiges Souper und zwei Karossen, die in London am Perron auf das frischvermählte Paar und dessen Dienerschaft gewartet hatten. In Sulgrave Manor angekommen, hatte er Sara dann beim Aussteigen lachend auf die Arme genommen und sie, altem Brauch gemäß, über die Schwelle des Hauses getragen.
„Bist du mit deinem Zimmer zufrieden, Jenny?“ erkundigte sie sich neugierig und ließ sich die Seidenstrümpfe abstreifen.
„Bisher hatte ich nur Zeit, mein Gepäck abzustellen“, antwortete Jane Miller. „Dann bin ich gleich zu Ihnen gelaufen. Aber der Raum sah sehr hübsch aus. Ich finde das ganze Haus überwältigend!“ Vorsichtig begann sie, der Herrin die juwelengeschmückten Haarnadeln aus den Locken zu ziehen.
„Ich auch“, stimmte Sara aus Überzeugung zu. „Sulgrave ist zwar sehr repräsentativ, aber auch gemütlich. So, wenn du jetzt fertig bist, kümmere dich bitte um mein Bad.“ „Selbstverständlich, Madam“, sagte Jenny und knickste. „Aber erst werde ich Furface entfernen. Ich nehme nicht an, daß Sie die Katze heute nacht hierbehalten möchten.“
Die Zofe nahm das schwarzweiß gefleckte Tier hoch, und Sara lachte, als es entrüstet miaute, während Jenny es in den Korridor trug. Schmunzelnd hatte Mikahl erklärt, die Katze wäre am selben Tage in Sulgrave Manor eingezogen wie er. Sie war ihm aus den Stallungen zugelaufen und gehörte inzwischen zum Haushalt.
Jenny kam zurück, ging ins Badezimmer und ließ wohltemperiertes Wasser in die Wanne aus rotgeädertem Marmor. Selbst dieser Raum prunkte mit goldgerahmten Spiegeln, geschwungenen Konsoltischchen und herrlichen Malereien. Glücklich, daß sie in dieser erlesenen Umgebung leben durfte, eilte sie zu Lady Sara zurück und verkündete, eifrig
Weitere Kostenlose Bücher