Liebe und Vergeltung
Schluß gesagt hatte, gaben Sara die Hoffnung, daß er Prinz Balagrini mit der Zeit akzeptieren würde.
Nachdem sie die erste Hürde überwunden hatte, begab sie sich in das Arbeitszimmer des Cousins. Es war ein anheimelnd eingerichteter Raum, ursprünglich ein Salon, den in vergoldete Zierleisten eingelassene Ornamenttapeten aus orangefarbener Seide auf lindgrünem Untergrund schmückten. Der weiße Marmorkamin wurde von vier großen Porträtbildern flankiert, und über ihm hing ein venezianischer Spiegel. Eine wundervolle Pendule en cheminee aus Sevres-Porzellan stand zwischen zwei chinesischen Vasen; verschnörkelte Leuchter aus Bronze und Silber lenkten den Blick auf reich geschnitzte barocke Konsoltische, und die verglasten Kabinettschränkchen enthielten eine erlesene Sammlung prächtiger ledergebundener Bücher. Auf einer bemalten Kommode aus rötlichem Satinholz stapelten sich Manuskripte und Nachschlagewerke, und auch die Platte des einzigartig schönen, mit graviertem Messing auf scharlachrotem Schildpatt furnierten Schreibtisches war mit Papieren überladen.
Alastair erhob sich, als seine Cousine das Zimmer betrat, musterte sie einen Moment prüfend und kam dann mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Er nahm sie in die Arme, drückte sie aufmunternd und sagte teilnahmsvoll: „Ich vermute, du hast einen harten Tag hinter dir, Sara.“
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und nickte. Es war angenehm, sich bei Alastair nicht verstellen zu müssen, da er sie besser denn jeder andere kannte. Mikahls Ausstrahlung verunsicherte sie stets ein wenig, während sie sich bei Alastair, der genauso stark und männlich war wie der Prinz, geborgen und beschützt fühlte.
Er strich ihr über das Haar, schob sie sanft von sich fort und fragte ernst: „Hast du dich entschieden?“
„Ich werde Mikahl heiraten.“
„Bist du sicher, daß du keinen Fehler machst? Laß dich nicht zu einem übereilten Schritt hinreißen, nur weil du den Skandal fürchtest. Irgendwann würden die Leute aufhören, über dich zu reden.“
„Vielleicht ist es ein Fehler, Mikahls Frau zu werden“, räumte Sara ein und setzte sich in eine mit rotem Damast bezogene
Bergere. „Andererseits wäre es gewiß ebenso falsch, Mikahl nicht zu heiraten.“
„Ich verstehe.“ Alastair lehnte sich neben Sara an den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Liebst du Mikahl?“
„Ich weiß es nicht.“ Nachdenklich blickte Sara auf die kleine Jadefigur eines sitzenden Buddhas, die der Cousin als Briefbeschwerer benutzte. Am liebsten hätte sie Alastair erzählt, wie gemischt ihre Gefühle für Mikahl waren. Aus dem Bedürfnis, es ihm zu verstehen zu geben und sein Verständnis zu finden, fügte sie nach einem Moment langsam hinzu: „Jetzt begreife ich dich und Juliet.“
Alastair preßte die Lippen zusammen, und seine Miene wurde starr.
„Entschuldige“, sagte Sara bestürzt. „Ich hätte dich nicht an deine Frau erinnern dürfen. Ich wußte nicht, daß du nach all den Jahren noch so viel für sie empfindest.“ Verlegen hielt sie inne, da ihr bewußt wurde, daß sie Alastair wahrscheinlich nur noch mehr quälte.
Er atmete tief durch und erwiderte mit belegter Stimme: „Ich wünsche niemandem das gleiche, was ich mit Juliet durchgemacht habe. Wenn du Mikahl jedoch so liebst, ist es sicher das beste, wenn du seine Gattin wirst. Gewiß, er ist so unberechenbar wie Juliet, aber im Gegensatz zu Weldon der geeignetere Mann für dich.“
„Ist dir bekannt, warum er so gegen Charles eingestellt ist?“ Überrascht schaute Alastair die Cousine an. „Hast du ihn denn nicht gefragt?“
„Es ergab sich keine Gelegenheit“, antwortete sie und senkte leicht errötend die Lider. „Wir hatten so viele Dinge zu besprechen. Allerdings gab er zu, daß die Verkettung der Umstände gestern abend kein Zufall war. Ich vermute, er hat dich über seine Absichten im unklaren gelassen, so daß du ihm unbewußt in die Hände gespielt hast, nicht wahr?“
„Ich fürchte, du hast recht, Sara. Es tut mir sehr leid.“
„Du mußt dich nicht entschuldigen“, erwiderte sie und lächelte schwach. „Hättest du dich gesträubt, wäre ihm bestimmt ein anderer Weg eingefallen, um seinen Plan durchzuführen. Hat er dir nach eurer handgreiflichen Auseinandersetzung eigentlich eine Erklärung für sein Verhalten gegeben?“
„Ja. Er behauptet, dein ehemaliger Verlobter sei an mehreren illegalen und sehr schmutzigen Geschäften beteiligt“,
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