Liebe und Vergeltung
für alle Zeiten unauslöschlich eingeprägt.
Besorgt, jeder könnte ihrem derangierten Zustand ansehen, was geschehen war, zupfte sie sich den Fächerkragen zurecht, strich den Spitzenbesatz auf den Ärmeln glatt und klopfte sich die Grashalme vom Rock. Die Frisur zu richten, war nicht möglich, und so löste sie rasch den Schildpattkamm, der die Locken im Nacken hielt, zog die mit kleinen Edelsteinen geschmückten Ziernadeln aus den Seitenlocken und schüttelte den Kopf, bis das mahagonifarbene Haar ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel.
Sorgsam darauf achtend, ungesehen ins Haus zu kommen, kehrte sie zum südlichen Eingang zurück, huschte durch den Gartensalon in die Halle und eilte die Treppe zu ihrem Boudoir hinauf. Aufatmend, daß sie niemandem begegnet war, schloß sie die Tür zu ihren Räumen, verzichtete darauf, der Zofe zu läuten, und kleidete sich ohne Hilfe um.
Während sie vor dem Toilettentisch saß und sich frisierte, dachte sie belustigt, daß es ihr zur Angewohnheit zu werden schien, sich heimlich davonzustehlen. Und dabei hatte sie früher ein so tadelloses, sittsames Leben geführt!
Der Vater saß in der Bibliothek und blickte irritiert von dem angefangenen Text auf, als Sara den Raum betrat. Sie schloß die Tür, blieb davor stehen und sagte ruhig: „Ich habe mich entschlossen, Prinz Balagrinis Heiratsantrag anzunehmen.“ „Das hatte ich erwartet“, erwiderte Miles St. James, Duke of Haddonfield, schroff. „Dir blieb nur dieser Weg, dich vor einer peinlichen Blamage zu retten.“
Sein Blick schweifte zum Sofa, und Sara errötete. „Ich nehme den Prinzen nicht zum Mann, um meinen Ruf zu retten“, entgegnete sie kühl, „sondern weil ich Mikahl heiraten möchte.“
Miles St. James zuckte mit den Schultern. „Warum machst du dir die Mühe, mir das mitzuteilen?“ fragte er barsch. „Du bist volljährig und nicht mehr auf mein Einverständnis mit der Wahl deines Gatten angewiesen. Im übrigen hast du meine Wünsche ohnehin nicht respektiert.“
Sara verkrampfte die Hände. Mit dieser harschen Reaktion des Vaters hatte sie nicht gerechnet. Sie hätte Mikahls Angebot annehmen sollen, bei dem Gespräch anwesend zu sein. „Ich hoffte, du würdest uns deinen Segen geben“, sagte sie steif.
„Den hattest du für die beabsichtigte Ehe mit Weldon“, entgegnete er brüsk. „Sei unbesorgt, ich werde dich zum Altar führen, und sei es auch nur, um jedes Gerede zu vermeiden.“ Sara war verletzt und erwog flüchtig, das nur unwillig gemachte Angebot auszuschlagen. Doch der Vater hatte recht. Falls er bei der Trauung nicht anwesend war, würden die Leute sich den Mund zerreißen. „Mikahl und ich heiraten nach Ablauf des Aufgebotes“, kündigte sie an. „Also in drei Wochen.“ „Teile meinem Sekretär die für mich notwendigen Einzelheiten mit“, erwiderte der Herzog mit geringschätziger Geste. „Ich werde pünktlich zur Stelle sein.“
Sara fühlte sich den Tränen nahe. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre aus der Bibliothek geflohen. Sie nahm ihren Mut zusammen, ging zum Schreibtisch und stellte sich vor den Vater. „Ich weiß, ich bin den Maßstäben nicht gerecht geworden, die du an mich legst“, sagte sie betroffen. „Du bist nicht zu Unrecht zornig auf mich. Aber du bist mein Vater, und ich bin dein einziges Kind. Bitte, laß nicht zu, daß dieser Vorfall uns entfremdet! Ich brauche dich!“
„Du täuschst dich“, widersprach Miles St. James und schaute sie zum ersten Male mitfühlend an. „Du hast die Kraft deiner Mutter. Nach ihrem Tod ...“ Er hielt inne, seufzte leise und blickte auf das vor ihm liegende Papier. „Ich ärgere mich weniger über deine Unbesonnenheit als über die Folgen“, fügte er mürrisch hinzu. „Nun, vielleicht wendet sich doch noch alles zum Besten, wenigstens für dich.“
„Was meinst du damit?“ fragte Sara verständnislos.
„Ich hoffe, daß du das nie herausfinden wirst“, antwortete der Vater. „So, und nun laß mich allein. Ich muß mich auf die Formulierungen für die geänderte Ankündigung deiner Verlobung konzentrieren.“
Verwirrt kam Sara der Bitte nach. Sie hatte einen Zornesausbruch erwartet, doch abgesehen von seinem Unmut schien der Vater eher enttäuscht und niedergeschlagen zu sein. Vielleicht bedauerte er, daß er Weldons Freundschaft verlor. Nach dem gestrigen Eklat war das Verhältnis der beiden Männer zueinander ganz bestimmt empfindlich gestört. Aber die Wor-
te, die der Vater zum
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