Liebe und Vergeltung
antwortete Alastair vorsichtig. „Falls er recht hat, ist Weldon ein bigotter Lügner ungeheuren Ausmaßes, und du kannst dich glücklich schätzen, daß du nicht seine Gemahlin wirst.“ „Welcher Art sollen die schmutzigen Geschäfte denn sein?“ Sara furchte die Stirn. „Es gibt zu viele Möglichkeiten, als daß ich ..." Unvermittelt kam ihr ein Gedanke, und erblassend starrte sie den Vetter an. „Du meinst doch hoffentlich keine Freudenhäuser, Alastair! Nein, ich kann mir nicht vorstellen, daß Charles in derart abscheuliche Angelegenheiten involviert ist!“
„Offenbar doch!“ entgegnete Alastair. „Du bist genauso schockiert wie ich, als Mikahl es mir berichtete. Auch du hältst es für ausgeschlossen, daß ein Gentleman in so widerwärtige Dinge verwickelt ist. Und so würde es wohl den meisten Leuten ergehen, wenn sie davon erfahren. Wahrscheinlich ist dieses Unvermögen, einen Mann aus unseren Kreisen solcher Vergehen für fähig zu halten, der sicherste Schutz, um ungestört den schmierigen Geschäften nachgehen zu können.“ „Auf bestimmte Männer mag das zutreffen“, sagte Sara kopfschüttelnd, „bei Charles hingegen scheint es mir ausgeschlossen! Er legt doch stets so großen Wert auf Schicklichkeit! Du hast ja miterlebt, wie entrüstet er darüber war, mich in Mikahls Armen vorzufinden.“
„Das kann anerzogene Sittenstrenge sein oder ebensogut perfekt beherrschte Heuchelei“, gab Alastair zu bedenken. „Aber quäl dich nicht mit der Frage, ob Mikahls Anschuldigungen wirklich berechtigt sind. Im Moment hast du wahrlich genügend andere Sorgen. Irgendwann, wenn du bereit bist, die Wahrheit zu verkraften, solltest du mit Mikahl sprechen. Seine Reaktionen sind zwar häufig schwer einzuschätzen, doch ich habe festgestellt, daß er im allgemeinen bereitwillig Auskunft gibt, wenn man ihn mit einem bestimmten Thema konfrontiert.“
Normalerweise wäre Sara nicht davor zurückgeschreckt, sich mit unangenehmen Dingen auseinanderzusetzen. Jetzt jedoch griff sie den Rat dankbar auf, denn im Moment war es ihr lieber, nicht über Alastairs Andeutungen nachzudenken. Etwas unglücklich lächelnd, fragte sie: „Wer war es, der geäußert hat, man sollte vorsichtig mit seinen Wünschen sein, denn sie könnten allzu schnell erfüllt werden? Und ich habe mich stets nach einem aufregenderen Leben gesehnt!“
„An Mikahls Seite wirst du es ganz bestimmt haben!“ versicherte Alastair schmunzelnd.
„Falls das Schlimmste eintreten und er mich einem orientalischen Harem zuliebe verlassen sollte, werde ich deine Einladung annehmen, zu dir ziehen und dir den Haushalt führen.“
„Samt deinen Katzen?“
„Ja.“
„Obwohl ich dir dauernd arabische Gedichte vortragen würde?“
„Das wird mich nicht hindern“, antwortete Sara lachend, und Alastair fiel in ihr Lachen ein. Sie war froh zu wissen, daß sie sich immer auf die Familie verlassen konnte und nie schutzlos der Macht ihres zukünftigen Gatten ausgeliefert sein würde.
Weniger tröstlich war der Gedanke, daß sie einen Mann heiraten wollte, dem sie nicht voll und ganz vertraute.
16. KAPITEL
Marguerite Carlisle, Duchess of Windermere, saß im Gelben Salon und schaute hin und wieder von der Petit-point-Stickerei auf. Nachdenklich schweifte ihr Blick über die Täfelung aus chinesischem Rosenholz und vergoldeten Schnitzereien, blieb flüchtig an dem girlandengeschmückten weißen Porzellanofen hängen und wanderte weiter zu der kobaltblauen, mit roten Rosen bemalten Balustervase, die auf einem reich ornamentierten Eckschränkchen stand.
Seit gestern abend herrschte eine seltsam gespannte Stimmung im Haus, deren wahren Grund sie nicht kannte. Überraschend hatte Alastair sie gebeten, für eine baldige Abreise der Gäste zu sorgen. Auf ihre erstaunten Fragen hatte Marguerite nur zu hören bekommen, Weldon habe die Verlobung mit Sara gelöst, und die Cousine trage sich mit dem Gedanken, Prinz Balagrini von Kafiristan zu heiraten.
Marguerite hatte gemeint, den Ohren nicht trauen zu können, war aber über die Neuigkeit eigenartig erleichtert gewesen. Als sie mit der Nichte sprechen wollte, hatte Alastair ihr gesagt, daß Sara sich bereits in ihr Boudoir begeben hatte.
Weldon, der sehr erregt wirkte, hatte sich nicht einmal verabschiedet und war in aller Eile nach London gefahren. Auch von Miles hatte Marguerite nichts Näheres herausfinden können. Er hatte schroff bestätigt, daß seine Tochter den Baronet nicht heiraten würde, und sich
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