Liebe und Vergeltung
müssen, daß er vor sich und Sara versagt hatte. Er richtete sich halb auf, schaute sie besorgt an und fragte leise: „Sara? Was hast du?“ Langsam wandte sie ihm das Gesicht zu und schaute ihm stumm in die Augen.
Er hatte erwartet, daß sie fassungslos sein, ihm zürnen oder Vorwürfe machen würde. Mit Tränen hatte er gerechnet, doch nicht mit diesem kalten, abweisenden, harten Blick. Jäh begriff er, daß er größeren Schaden angerichtet hatte als zunächst befürchtet. Sara, die anfänglich so willig, so vertrauensvoll gewesen war, hatte sich ihm innerlich entzogen.
„Nachdem du mich bereits kompromittiert hattest“, sagte sie unversehens verächtlich, „konntest du wohl dem Drang nicht widerstehen, dein schäbiges Werk zu vollenden, damit mir keine andere Wahl bleibt, als deine Gattin zu werden!“ „Ich habe nichts geplant und nichts vorausberechnet!“ entgegnete er verstimmt, stand auf und richtete seine Kleidung. Unwillkürlich bewunderte er Saras Charakterfestigkeit. Andere Frauen hätten gejammert, ihn mit Beschuldigungen überschüttet oder sich schluchzend von ihm im Kummer trösten lassen. Sie hingegen zeigte keine Schwäche und ließ sich nicht einschüchtern. „Hier, nimm das“, sagte er, gab ihr sein Taschentuch und drehte sich rücksichtsvoll um.
Sie reinigte sich, streifte sich hastig das Höschen über die Beine und zog rasch die Röcke bis zu den Stiefeletten herunter. „Willst du etwa behaupten, die Gefühle hätten deinen Verstand überwältigt?“ fragte sie dann spöttisch. „Ich dachte, du seist ein Mann, der nie etwas dem Zufall überläßt!“
Ihm war klar, ein einziges falsches Wort würde dazu führen, daß Sara sich weigerte, seine Gemahlin zu werden, ganz gleich, wie ihre Zukunft sich dann gestalten mochte. Der Gedanke, sie zu verlieren, störte ihn eigenartigerweise, und er entschloß sich, ehrlich zu sein, um sich nicht noch weiter von ihr zu entfremden. Er setzte sich neben sie, ergriff ihre Hand und sagte ernst: „Nein, Sara, es war ein Zufall. Ich glaubte dich bereit zur Liebe, körperlich und auch gefühlsmäßig.“ Einesteils hätte Sara ihm gern die Hand entzogen und versteifte sich etwas, andererseits sehnte sie sich danach, wieder in seinen Armen zu liegen, bei ihm geborgen zu sein und zu wissen, daß alles gut werden würde. Nicht der geringe physische Schmerz hatte sie sich gegen Mikahl auflehnen lassen. Vielmehr war es das erschreckende Erkennen, daß er sie so hart aus den schönen, wundervoll neuen und berauschenden Träumen gerissen und ihr das Gefühl gegeben hatte, machtlos seiner männlichen Kraft ausgeliefert zu sein. Sie haßte es, sich nicht wehren zu können, und verstand sich selbst nicht, weil sie ungeachtet ihres Zornes dennoch das Bedürfnis hatte, bei Mikahl Schutz zu suchen.
„Ich wollte glauben“, fuhr er in reumütigem Ton fort, „daß du willens warst, dich mir in jeder Hinsicht zu schenken. Doch nun sehe ich, daß ich mich getäuscht habe. Es tut mir aufrichtig leid, Sara.“
Zögernd schaute sie ihn an und fühlte sich von dem schuldbewußten Ausdruck seiner Augen entwaffnet. Sie mußte sich eingestehen, daß Mikahl allen Grund zu der Annahme gehabt hatte, sie sei rückhaltlos zur Liebe bereit. Ihr Benehmen hatte keinen Zweifel daran gelassen. Nun wurde sie zornig auf sich selbst, weil sie zu schwach gewesen war, ihr Verlangen zu zügeln und vernünftig zu bleiben. Und es war besonders erniedrigend, annehmen zu müssen, daß Mikahl ihre aufwallende Leidenschaft ausgenutzt hatte, um sie zu verführen und so zu nötigen, seine Gattin zu werden. Es war ihr nur ein geringer Trost, daß er sich zerknirscht zeigte. Aber es rang ihr Achtung ab, daß er den Irrtum überhaupt eingestand. Er war bestimmt kein Mann, der leicht einen Fehler zugab. Um ihm etwas entgegenzukommen, sagte sie leise: „Ich wußte nicht, was ich wollte. Ich kann es dir also nicht verargen, daß auch du im Unklaren über meine Wünsche warst.“
„Ich hätte es spüren sollen“, widersprach er bedrückt. „Ich wollte, daß es schön für dich ist, und habe aus Eigensucht versagt. Die Begierde macht Männer oft zu Narren, auch wenn ich meiner Lust bisher nie in dieser Weise erlegen bin. Ich habe einfach die Kontrolle über mich verloren, weil ich solches Verlangen nach dir hatte. Und nun bin ich sicher, daß ich dir seelisch weitaus mehr weh getan habe als körperlich. Wunden dieser Art heilen nur langsam. Ich wünschte, ich könnte mein Verhalten rückgängig
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