Liebe und Völkermord
im Mindesten das Wasser reichen. Glaubt mir, Frauen wie die Eure sind heutzutage rar geworden.“
„ Ihr ehrt uns, ich danke Euch.“
Sie lächelten sich gegenseitig an.
„Diese Badeboje, was sollen wir nun mit ihnen machen? Wir können das nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Wir müssen den Mann, der auf Euch geschossen hat, ausfindig machen und ihn bestrafen. Jedoch dürfen wir noch keinen Aufstand provozieren. Das können wir uns noch nicht erlauben. Die beiden türkischen Offiziere, die in Eurer Begleitung waren, Mustafa Bey und Ali Isa Bey, sie werden es den osmanischen Behörden melden, das ist gewiss. Die Türken aber dürfen sich nicht in diese Angelegenheit einmischen. Das ist allein unser Problem. Versteht Ihr mich?“
„ So ist es. Wir dürfen nicht vergessen, der Agha Tschalabi ist Euer Erzfeind und meine Spitzel sagen, er unterstütze heimlich die Aramäer. Sie haben Waffen. Woher haben sie all diese Waffen und die Munition?“
„ Ja, das ist richtig. Wir dürfen ihn aber nicht herausfordern. Einen Bürgerkrieg können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten. Habt Ihr etwas über Agha Fuad Ibrahim gehört?“
„ Er soll sich nach Konja zurückgezogen haben. Mehr konnten meine Männer nicht herausfinden.“
„ Er darf nicht wiederkommen. Wir müssen das mit allen Mitteln erzwingen. Er muss verschwinden, ganz verschwinden. Ein Unfall muss ihm zustoßen. Wenn Ihr mich versteht.“
Der Wesir nickte mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.
Die Aghas Bilad Murad und Tschalabi waren die beiden kurdischen Oberherren des Tur Abdin. Beide leiteten sie ihr Herrschaftsrecht von ihren Urahnen ab, jeder von ihnen behauptete, ihr Urvater habe einst von den Bischöfen der Aramäer die Herrschaft über dieses Gebiet übertragen bekommen. Bilads Familienvater war ein Mann namens Murad. Er und sein Stamm sollen einst aus dem Osten von den Aramäern hierher gerufen worden sein. Immer mehr Aramäer wandten sich dem Mönchstum zu und Klöster mussten für sie errichtet werden. Es hieß, die ersten kurdischen Stämme seien als Gastarbeiter hierher gekommen. Nachdem ein Großteil der Kurden, darunter auch Murad, den Islam angenommen hatten, verschärften sich die Fronten zwischen den Kurden und den Aramäern. Die Kurden wurden sesshaft und beanspruchten große Teile des Landes für sich. Sie vermehrten sich schnell und lehrten ihre Söhne das Kriegshandwerk. Die Populationsverhältnisse änderten sich im Laufe der Jahrhunderte rapide, bedingt durch die hohe Zahl der Mönche, dem Zölibat unterworfen, auf der Seite der Aramäer, und der erlaubten Polygamie auf der Seite der muslimischen Kurden. Zudem waren die Aramäer keine Einheit, sie waren unter sich zerstritten und in Kleinstaaten gespalten, ähnlich wie die griechischen Stadtstaaten in der Antike. Die Kurden nutzten diese innere Zerrissenheit der Christen aus und unterwarfen sie ihrem Willen. Murad wurde zum König ernannt. Die Christen mussten eine Sondersteuer an die Muslime entrichten.
Doch auch die Kurden sollten nicht für lange Zeit eine Einheit bleiben.
Bilad war der zweitälteste Sohn seines Vaters. Zeit seiner Kindheit hasste er es, im Schatten seines älteren Bruders Aziz Dschamal zu stehen. Sein Vater beachtete ihn nicht, nur seine Mutter gab ihm etwas von ihrer Zuneigung ab. Nie wollte er so werden wie sein Vater, hatte er sich selbst das Versprechen gegeben. Als er jedoch vierzehn Jahre alt wurde, geschah etwas mit ihm. Es war an einem heißen Nachmittag im Mai. Bilad zog durch die Hügel auf der Nordseite der Stadt Mardin. Seine Freunde waren ihm vorausgeeilt und er hatte ihre Spur verloren. Tief in seinen Gedanken versunken, schlenderte er umher und bemerkte nicht den Abhang vor ihm. Der Felsvorsprung unter seinen Füßen löste sich. Er fiel quer über sein Haupt und prallte mit dem Hinterkopf auf den Stein. Er zog sich eine schwere Verletzung zu. Nach diesem Unfall war Bilad nicht mehr der Junge von einst. Er wurde ehrgeiziger, vorlauter und brutaler. Seinem Vater gefiel Bilads innere Verwandlung. Eines Tages forderte Bilad seinen älteren Bruder zum Zweikampf heraus, nachdem jener sich über ihn lustig gemacht hatte. Nur drei Hiebe mit dem Säbel benötigte Bilad, um seinem Bruder das Leben zu nehmen.
„ Wenn jedoch der Kampf unvermeidbar sein sollte, dann werden wir uns Tschalabi entgegen stellen und ihn vernichten.“
„ Seid stets auf der Hut vor Euren Feinden, mein Herr. Agha Tschalabi ist kein Freund der Aramäer. Er
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