Liebe und Völkermord
vor.
Sie saßen gegenüber voneinander auf Teppichen auf dem Boden in dem großflächigen, quadratisch angelegten Wohnzimmer. Der Agha fragte ihn zuerst, wie die Unterredung mit den Aramäern ausgegangen sei. Muhammad erzählte ihm, sie hätten sich geweigert, ihm den Täter auszuliefern. Darauf habe er ihnen mit der Erhöhung der Steuern gedroht. Bilad lachte und klatschte in die Hände. „Bravo! Vortrefflich! Muhammad, das habt Ihr genau richtig gemacht.“
„Dann bleibt uns wohl keine andere Wahl, als mit voller Härte gegen sie vorzugehen, mein Herr.“
Der Agha stimmte ihm zu.
Eine am ganzen Körper mit schwarzem Stoff verschleierte Gestalt trat in das Zimmer. Die Frauen in dieser Region verschleierten ihre Kopfhaare. Solche, deren Gesicht ebenfalls verdeckt war, waren selten anzutreffen. Sie
beugte sich vor und schüttete aus der Kanne in ihrer Hand Tee in das Glas des Wesirs ein. Muhammad schaute sie gebannt an, jedoch nicht so auffällig.
„Danke, Fatima, geh bitte sofort in dein Gemach und warte dort auf mich.“
Muhammad starrte die Tür an, hinter der die mysteriöse Frau verschwand. Bilad fasste ihn an der rechten Hand an. Muhammad kam wieder aus seiner Trance heraus.
„Fatima, meine zweite Frau, hat noch nie einen Fehler begangen. Sie ist viel besser als Chatune. Dieses alte Weib nervt mich nur noch. In diesen Tagen ist sie, Allah sei Dank, bei ihrer Tante zu Besuch.“
Über Fatima war nicht allzu viel bekannt. Sie müsse wohl noch sehr jung sein und wunderschön, sonst hätten ihre Eltern sie nicht so verschleiert und der Agha weiter auf diesen Ganzkörperschleier bestanden, dachte der Wesir. Zwar liebte er seine Frau und hatte allen anderen Frauen entsagt, doch irgendetwas an dieser Fatima faszinierte ihn. Er wollte den Schleier von ihrem Gesicht reißen.
„Mein Herr, wie gedenkt Ihr nun, gegen Eure Untertanen vorzugehen?“
„ Sie sind wie kleine Kinder, die bestraft werden müssen. Wir müssen sie hart herannehmen. Was da wirklich vorgefallen ist, wer auf Euch geschossen hat und so weiter, werden wir wohl nie erfahren. Stellt Euch vor, sie denken sich, sie könnten das wieder machen? Nein, wir müssen sie mit aller Härte bestrafen.“
„ Ihr seid weise.“
„ Ich danke Euch. Fürs Erste bekommt Ihr von mir den Befehl, von jeder Familie Badibes und der angrenzenden Dörfer ein Fünftel ihres Besitzes zu nehmen. Gleich morgen.“
Muhammad verneigte sich vor ihm wie ein eifriger Hausdiener.
Madschid
Meridschan schaute sich Matthias' Höhle noch einmal gut an, als wolle sie Bilder von ihr in ihr Gedächtnis meißeln. Matthias saß auf der rechten Seite, seine Beine an sich gezogen, sein Haupt auf der Hand seines linken Armes gestützt.
„ Wir kommen bestimmt bald wieder.“
„ Ja, bestimmt.“
Sie beugte sich vor zu ihm und fasste ihn mit ihrer rechten Hand an seinem Kinn an.
„Du bist so süß, wenn du traurig ausschaust.“
Er wandte seinen Blick von ihr ab. „Kafro ist so weit weg von hier. Und ich komme nicht mit den Leuten dort zurecht. Bleibt doch hier!“
„Das geht nicht. Mein Bruder hat dort seine Praxis. Die Kranken der Dörfer kommen eigentlich dorthin zu ihm. In diesem Fall hat er eine Ausnahme gemacht und kam persönlich hierhin.“
„ Dann bleib du doch hier.“
„ Das geht nicht! Und das weißt du auch! Und du weißt auch, was geschieht, wenn sie nur Verdacht schöpfen. Mein Bruder ist nicht wie diese Leute, aber es ändert leider nichts an dieser aussichtslosen Lage.“
„ Ja, ja, es geht um die Ehre, ich weiß schon. Es wäre für sie ein Verstoß gegen die Gesetze des Islam. Was hat das denn alles mit uns zu tun? Wir sind doch ganz normale Menschen. Die Menschen sind es, die sich die ganzen Probleme selbst machen.“
Sie gab ihm einen Kuss auf seine rechte Wange. Er fühlte sich geschmeichelt. War sie wirklich in ihn verliebt? Konnte er sie wirklich für sich gewinnen? Er kannte sie erst seit kurzer Zeit. Bei ihr fühlte er sich wohl. Sie gab ihm neue Kraft, und Hoffnung. In ihr fand er etwas, was er selbst nicht zu beschreiben vermochte. Geborgenheit? Liebe? Verständnis? Was es genau war, würde sich mit der Zeit schon herausstellen, dachte er. Er kannte sie erst seit wenigen Tagen und doch kam es ihm vor, als würde er sie schon sein ganzes Leben lang kennen.
Als sie sich zu ihm bückte, um ihn zu küssen, konnte er einen kurzen Blick auf ihren Ausschnitt erhaschen. Ihre
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