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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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denn jetzt wieder von mir? Darf ich etwa nicht mit einer Kurdin befreundet sein?“
    „ Du weißt doch, wie die Leute davon denken, wenn sie erfahren, dass du allein mit einer Frau bist.“
    „ Ja, ich weiß, was sie denken. Und ich sage dir, mir ist das egal! Sollen sie doch reden. Es ist doch mein Leben. Habe ich denn etwa kein Recht auf Liebe? Das ist doch jetzt wieder dieselbe Geschichte, die sie damals mit Daniela abgezogen haben. Ich bin dessen überdrüssig geworden!“
    Der Kleinwüchsige stand nun direkt vor ihm und schaute seinem Bruder auf derselben Höhe in die Augen.
    „Beruhige dich. Du weißt doch, wie das damals mit Daniela war. Es war nicht unsere Schuld. Und in diesem Fall ist es etwas ganz Anderes. Hier geht es um eine Kurdin, eine Muslimin. Das ist zu gefährlich. Weißt du, in welche Gefahr du und uns alle damit bringst?“
    „ Es gibt keine Gefahr. Niemand wird mir etwas antun.“
    „ Du bist naiv. Natürlich werden sie dir etwas antun. Und wenn nicht dir, dann jemandem von uns.“
    „ Bruder, ich habe nichts gegen dich. Ich liebe euch alle. Ich bin für meine Familie da.“
    „ Hast du sie berührt?“
    Matthias kochte innerlich vor Wut. „Was stellst du mir solch eine Frage?! Nein, habe ich nicht.“
    „Ich will dir nicht wehtun, Bruder. Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich rate dir aber, lass es lieber sein. Du weißt, wie sie darüber denken. Sie sind unberechenbar. Unser Vater, du kennst doch sein Gemüt. Irgendwann gehen bei ihm die Zügel durch. Zu unser aller Bestem solltest du den Kontakt zu ihr abbrechen.“
    „ Du weißt, wie ich mich fühle?“
    „ Ich habe mich auch einmal in eine Muslimin verliebt. Sie war die Tochter des Gemüsehändlers. Das ist, glaube ich, schon zehn Jahre her. Mutter, Sitto, Rahel und ich waren an einem Sonntag in der Charabale. Es fand dort ein Dorffest statt, zudem auch Fremde gelegentlich kommen. An jenem Tag habe ich sie gesehen. Sie war das schönste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Bis heute kenne ich nur ihren Namen.“
    Matthias setzte sich wieder neben ihn hin. Hatte er doch Madschid und sich für zu verschieden voneinander gehalten, und nun erkannte er, sie waren sich im Grunde nicht so unähnlich. Nie in seinem Leben hatte Matthias wahre Freunde gehabt, nun glaubte er, in seinem Bruder einen gefunden zu haben. „Eine traurige Geschichte, Madschid. Ich hatte keine Ahnung, wie es innerlich bei dir aussieht.“
    Madschid richtete sich auf und schritt zum Ausgang der Höhle. „Ich verrate Mutter nicht, wo du bist. Wegen des Mädchens, wie gesagt, breche lieber den Kontakt zu ihr ab. Es gibt Träume, die sich nie erfüllen werden. Und damit muss man sich abfinden, so hart es auch sein mag.“
    Matthias legte sich auf seine Matte hin wie ein in Ohnmacht gefallener Knabe. Sogleich versank er tief in einen Schlaf. In seinem Traum tauchte Meridschan vor ihm auf. Sie war wunderschön und sah verlockend aus in einem prächtigen türkisfarbenen Kleid. Sie trat lächelnd an ihn heran. Er küsste sie auf ihre rechte Wange. Ihre Miene erhärtete sich, sie lachte nicht mehr. Sie setzte sich neben ihn. Ihr Kleid fiel herab von ihr. Sie nahm seine linke Hand und setzte sie auf ihre rechte Brust. Er beugte sich vor und liebkoste sie. Doch dann hörte er ein lautes Raunen. Und Musik. Und das Klappern von Schwertern. Er drehte sich um und schaute in ein blendend weißes Licht. Wer war da?
    Er schrie laut.
    Er schaute um sich herum. Er befand sich immer noch hier in seiner Höhle, ganz allein. Es war ruhig, jedoch hörte er ein Pfeifen aus der Ferne. Rasch erhob er sich und eilte zum Ausgang. Die Morgensonne schlug ihm auf die Augen wie der Stich einer Fliege. Diese beißenden Fliegen waren die reinste Plage. Matthias' Blut schienen sie am meisten zu lieben. Nun öffnete sich ihm das Weite. Er sah unten auf dem Gehweg des Tales eine Karawane, ja, es war eine lange Kolonne von Menschen. Menschen von dunkler Haut, viel dunkler als die dunkelsten Aramäer. Sie schleppten Esel mit sich. Ganz vorne schlenderten ein Mann mittleren Alters und ein junges Mädchen in etwa demselben Alter von Matthias. Wer waren diese Menschen, fragte sich der Aramäer. Er hatte sie noch nie gesehen. Neugierig wie er war, beschloss er, hinunter zu laufen, um in Erfahrung zu bringen, wer sie seien, und um ihnen gegebenenfalls zu helfen, falls sie sich verlaufen hätten. Und - das war nicht zu leugnen - er wollte das hübsche Mädchen kennenlernen.
     
    Barsaumo überlegte, wie er es

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