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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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in der Runde an.
    „ Es wird Wesir Muhammad Ali sein“, warf Abdullah in die Runde.
    „ Seid Ihr Euch sicher?“, fragte der Abuna ihn.
    „ Ich kenne ihn schon seit seiner frühesten Jugend. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er es durch. Und Ihr habt doch eben gehört, was er vorhat.“
    Der Muchtar schnalzte mit der Zunge. Damit drückten die Menschen dieser Region eine Verneinung aus. „Ich glaube das nicht. Es sind die Männer des Aghas. Sie müssten alle desertieren, um Muhammad zu ihrem neuen Agha zu ernennen. Ich kenne Muhammad aus meiner Armeezeit. Er redet viel, wenn der Tag lang ist.“
    „Und er handelt viel. Seid nicht so naiv“, entgegnete Abdullah dem Muchtar. Murad fühlte sich beleidigt, doch hielt er seinen Zorn im Zaum. „Nun gut, Ihr seid ja auch ein Kurde wie er und auch ein Moslem wie er. Mag sein, dass ihr ihn besser einschätzen könnt.“
    Der Abuna schaute Murad mit strenger Miene an. Der Arzt nickte nur, er kochte innerlich, doch wollte er keinen Streit mit dem Muchtar provozieren. Er war ein Mann der Feder und nicht der Waffe.
    „Ich ermahne euch alle, es geht hier um das Wohl aller Familien Badibes, ja sogar des gesamten Tur Abdin! Jetzt ist nicht die richtige Zeit für solche Ränkespiele. Als Pfarrer des Dorfes habe ich mein Bestes gegeben, um dieses Joch nicht noch schwerer für uns zu machen. Ich bitte euch alle, verbreitet keine Panik. Erzählt euren Familien nicht, was wir mit dem Wesir besprochen haben.“
    Isa klopfte Siwar auf seine linke Schulter. Er drehte sich kurz zu Matthias um. „Komm, wir gehen.“
    Matthias war noch tief in Gedanken versunken. Er überlegte, warum der Wesir gerade jetzt gegen seinen Herrn putschen wollte. Und noch vielmehr grübelte er darüber, warum denn dieser Mann ihn so sehr mochte. Isa und Siwar ließen ihn zurück. Der Dorfälteste Aljas und Muksi Antar in seiner Begleitung machten sich gleich danach ebenfalls auf den Weg herunter ins Dorf. Muchtar Murad war bereits abgezogen, als Matthias nur wenige Schritte vor dem Abuna und dem Arzt stand. Sie sprachen leise, er sollte ihre Worte nicht hören können. Er verstand nur einzelne Wörter, wie zum Beispiel „Krieg“, „die Deutschen“, „die Türken“. Nur schwerlich konnte er sich einen Reim aus diesen Begriffen machen.
    Der kleine Mann gab sich desinteressiert an der Unterredung der beiden Männer und verließ allein das Kloster.
    Aziz, Matthias' Neffe, kam um die Gehweg-Kreuzung und erblickte die fremde Frau. Er hatte mit sich selbst gerungen, ob er wirklich hinauf zum Kloster gehen sollte oder nicht. Den Mut konnte er dann doch nicht aufbringen, und so blieb er im Dorf. Als er Aische sah, hielt er inne. Als dann der Wesir auftauchte, erschreckte er sich und sprang vom Rand des Gehweges des Dorfes hinab auf die linke Seite und blieb mit dem Kopf in der Erde auf dem Boden. Nach wenigen Minuten vernahm er dann die Stimme seines Großvaters. Isa hielt den kleinen Jungen für verrückt. Er nahm ihn mit zu sich in sein Haus. Aziz schaffte es nicht, Isa abzuwimmeln und ging mit ihm mit.
    Gleich sofort, als Isa sein Haus betrat und seine verstörte Frau auf dem Boden erblickte, beugte er sich zu ihr vor und fragte sie, ob es ihr gut gehe. Sie starrte immer noch auf die gegenüberliegende Wand. Mit brüchiger Stimme sprach sie dann: „Der Sohn des Muchtars ist es gewesen. Johannes hat auf den Wesir geschossen.“
    Aziz stand vor der Haustür. Schüchtern erhob er seine süße Stimme: „Ich bin dabei gewesen. Er war es.“
    Isa schaute sie nachdenklich an. Dann schaute er schockiert, stand auf und schlug mit der Innenfläche seiner rechten Hand auf seine Stirn. „Das ist unglaublich! Dieser kleine Bengel!“
    Der kleine Aziz trat ängstlich einen Schritt nach vorne auf seinen Großvater zu. „Pa, wirst du es den Anderen sagen?“
    „ Jetzt verstehe ich, warum Murad mit dem Gewehr in der Hand ins Kloster trat und behauptete, er habe auf ihn geschossen. Er wollte seinen Sohn schützen“, sprach Isa und starrte dabei vor sich hin. „Nein, wir werden es niemand sagen! Das würde nur Unruhe im Dorf unter unseren Brüdern und Schwestern bringen. Der wahre Feind sind die Moslems. Er hat doch meinen Sohn umgebracht! Er hat hat eben versucht, uns zu schmeicheln. Ich traue ihm nicht.“
    Sie blieben bis zur Abenddämmerung im Haus.
    Derweil hatte der Wesir seine Frau Aische unten auf dem Gehweg des Klosters kurz vor der Kreuzung zum Gehweg des Dorfes angetroffen. Er war

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