Liebe und Völkermord
überrascht, sie dort allein anzutreffen. Sie sollte beim Pferd bleiben, welches sie an einem Baum auf dem Gehweg auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes angebunden hatten. Er sah Trauer in ihren Augen und fragte sie, ob irgendetwas sie bedrücke. Sie antwortete, sie habe sich so verlassen gefühlt ohne ihn und sie wolle sofort wieder nach Hause. Sie eilten zur Stelle des Baumes und hatten Glück, ihr Pferd dort immer noch angebunden anzutreffen.
Matthias ging nicht nach Hause sondern zu seiner Höhle. Zu seiner Verwunderung traf er dort Meridschan an. Sie saß auf dem Boden, auf ihrem Schoß lag ein Buch. Matthias runzelte die Stirn. „Kannst du lesen?“
„ Nein. Mein Bruder hatte mir angeboten, es mir beizubringen, aber ich hatte keine Lust darauf. Was steht denn in all diesen Büchern drin?“
„ Es sind Bücher über Männer der Vergangenheit, die etwas Aufsehenerregendes getan haben, wie zum Beispiel Julius Cäsar, Napoleon und andere. Ich habe ihre Biographien studiert. Besonders interessieren mich ihre Feldzüge.“
Meridschan warf das Buch auf den Stapel vor ihr. Der Stapel Bücher kippte um. Sie seufzte. „Das ist langweilig. Machst du etwa nichts Anderes als Lesen und Lernen?“
Matthias schüttelte den Kopf. Er hob die Bücher auf. „Wir müssen alle etwas lernen, im Leben lernt man nie aus. Mir selbst bereitet nichts Anderes so großes Vergnügen wie das Studieren dieser Lektüre.“
„ Wie du redest. So gehoben.“
„ Ich rede doch normal.“
„ Nein, du redest so altmodisch.“
„ Du meinst, wie ein Gelehrter.“
Sie stand auf. Matthias wünschte sich, sie möge fortgehen, doch sie blieb bei ihm. „Was hast du denn für Interessen?“
„Ach, wir Frauen sind anders. Wir lieben es nicht, zu arbeiten oder in die Schlacht zu ziehen.“
„ Dazu seid ihr physisch nicht so gut geschaffen.“
„ Was meinst du denn damit?“
„ Nichts. Ja, aber nicht alle Männer träumen von so was. Du darfst nicht immer alle in einen Topf werfen!“
„ Hm, ja, vermutlich“, erwiderte sie und lächelte danach mit zusammengepressten Lippen. „Die Männer sind dumm. Sie haben kein Herz. Ich werde sie nie verstehen.“
„ Doch, natürlich haben sie ein Herz. Nur, sie fühlen sich schwach, wenn sie das offen zeigen. Deswegen zeigen sie nicht offen, dass sie auch Gefühle haben.“
„ Das stimmt doch gar nicht! Sie lügen ohne Ende. Heute machen sie dir den Hof, sagen, du seist ihre Einzige. Und einen Tag später erwischst du sie mit einer Anderen.“
Der Aramäer lachte laut. Ihre Miene verfinsterte sich. Er hob seine rechte Hand, streckte sie hin, genauso, als wolle er sie aufhalten, zu gehen. „Tut mir leid. Ich lache nicht über dich. Ich kann dir sagen, du bist nicht die erste Frau, der so etwas widerfährt. Ihr Frauen seid zu naiv.“
Sie wandte sich von ihm ab und starrte die ganze Zeit über die Wand auf der linken Seite der Höhle an. „Und was ist mit dir? Warst du schon einmal verliebt?“
Er setzte sich auf den Boden und beobachtete sie. „Wie ich schon sagte, die Frauen sind naiv.“
Sie drehte sich zu ihm um und schaute ihn an. „Nicht alle Frauen sind so. Auch du solltest nicht alle in einen Topf stecken!“
„ Willst du damit sagen, dass du nicht wie die anderen Frauen bist?“
Sie schauten sich lange Zeit schweigend an. Dann lächelte sie ihn an. Er lächelte zurück.
Gleich als sie wieder Zuhause waren, machten sie sich frisch. Muhammad verabschiedete sich sogleich danach, er wolle dem Agha Bilad einen Besuch abstatten und seine Intrige gegen ihn weiterspinnen. Aische nutzte die Zeit und besuchte ihre Mutter Farida in ihrem prachtvollen Haus. Es war das einzige Haus in der Region, das solch einen schönen Marmorboden hatte. Genau in der Mitte gab es einen Innenhof mit einem Springbrunnen, so ähnlich wie das römische Atrium. Dieser Hof war schalldicht eingerichtet, die Menschen in unmittelbarer Nähe von sich zwei Unterhaltenden konnten sie akustisch nicht verstehen. Ebenso nicht die Menschen, welche sich oben im ersten Geschoss im Säulengang aufhielten.
Aische liebte diesen Hof. Er war wie ein Erholungspark inmitten einer wilden, unwirtlichen Gegend.
Farida und ihre Tochter gingen nebeneinander spazieren. „Allah sei Dank, Muhammad wurde nur leicht verletzt. Stell dir vor, wenn er gestorben wäre, ohne seine Ziele erreicht zu haben. Was für ein Jammer das gewesen wäre.“
Farida war keineswegs skrupellos oder unmoralisch. Nur, sie liebte das
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