Liebe und Völkermord
Geld und den Ruhm. Sie war in ihrer Jugend sehr schön gewesen, mit ihren runden braunen Augen hatte sie das Herz eines jeden Mannes erweicht. Nun war sie schon 50 Jahre alt geworden, mollig und unter ihren Augen waren markante Furchen zu sehen. Sie hatte im Schatten ihrer älteren Schwester Marjam gestanden. Dies war der Grund, warum sie so ehrgeizig wurde.
„ Er hat kaum noch Zeit für mich. Er redet nur noch über den Agha und diese Aramäer.“
„ Zwischen euch war doch immer alles in Ordnung.“
Die Mutter hielt inne. Sie riss ihre Augen auf und gaffte ihre Tochter entsetzt an. Sie fasste sie an ihre Hüfte, bückte sich vor und schaute dorthin, als würde sie etwas suchen. Sie seufzte. „Ich verstehe nicht, warum du immer noch nicht schwanger geworden bist. Und was ich gar nie verstehen werde, ist, warum du immer so dürr bist.“
„Mama, warum habt ihr mich damals einfach so in die Ehe gegeben? Ich habe nicht einmal verstanden, was da mit mir gemacht wurde. Warum hattet ihr mich denn nicht zumindest eingeweiht?“
„ Ach, Liebes, Mehmet und ich hatten gehofft, Allah würde uns mit vielen weiteren Kindern segnen. Du bist unser einziges Kind. Dein sturer Vater dachte jeden Tag verbissen darüber nach, was eines Tages aus seinem Vermögen werden würde. Wer sollte es erben? Du kennst ja deinen Vater, er hat so eine Angst in sich, er glaubt, morgen schon würde ihn der Sensenmann holen. Deswegen haben wir dich so früh in die Ehe gegeben. Es wundert mich, warum du erst jetzt mit diesen Fragen zu mir kommst.“
„ Ach, weißt du, ich mache mir nur so Gedanken. Wir waren heute in Badibe. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich unter Aramäern.“
„ Allah! Warum bringt er dich an solche Orte?“
„ Es war mein Wunsch. Ich habe die Mutter des Jungen gesehen, der von Muhammad getötet wurde. Ihr Gesicht war bleich wie Schnee. Was für Qualen sie wohl durchmacht.“
„ Ja, bedauerlich, dass der kleine Junge gestorben ist. Es war ja nicht Muhammads Absicht gewesen.“
„ Weißt du, Ma, kam dir schon einmal in den Sinn, dass wir es sein könnten, die diesen Menschen Unrecht antun?“
„ Was redest du da für einen Unsinn, Kind! Wer hat dir diesen Quatsch eingeredet?“
Aische verzog ihre Miene und schüttelte den Kopf. Sie schlenderte weiter, um ihre Mutter abzulenken. „Niemand. Das war nur so ein Gedanke. Mir tut nur diese Frau etwas leid.“
Farida nahm Aisches linke Hand und stoppte sie. „Irgendetwas bedrückt dich. Ich merke das. Komm schon, erzähl es mir.“
Die Tochter wandte sich kopfschüttelnd von ihr ab. „Nein, es gibt nichts.“
„Ich glaube, ich weiß, was du hast.“
„ Lass mich, Ma.“
„ Du bist noch sehr jung. Ich war auch einmal in deinem Alter. Ich weiß, wie das ist. Du fragst dich, ob es noch andere Männer gibt. Du möchtest die wahre Liebe erfahren.“
„ Nein, Ma! Was redest du da?“
„ Aber das ist nun einmal unser Schicksal, meine Kleine. Auch ich musste mich zusammenreißen. Wir dürfen uns so etwas nicht erlauben. Sie werden uns auf der Stelle töten, wenn sie irgendwie davon in Kenntnis geraten. Jede Affäre kommt irgendwann einmal ans Licht. Aber, das heißt nicht, dass wir nicht für andere Männer schwärmen dürfen.“
Solche schmutzigen Worte hatte sie noch nie aus dem Mund ihrer Mutter gehört. Dem jungen frühreifen Mädchen wurde nun klar, nichts war, was es zu sein schien. Sie hatte ihre Mutter für ehrgeizig, eiskalt und konventionell gehalten.
„Ich schwärme nicht für andere Männer. Das ist es nicht.“
„ Stellt doch einen Diener bei euch ein. Sag deinem Mann, du wolltest, dass der Garten gemacht wird.“
Eigentlich war Aische zu ihrer Mutter gekommen, um Rat in Bezug auf ihre Ehe zu suchen. Jedoch, je länger sie hier in diesem Hof bei ihrer Mutter verharrte, wurde ihr klar, es war kein Rat, welchen sie sich bei ihrer Mutter ersuchte. Sie wollte Hilfe von ihrer Mutter. „Ma, kann ich dir vertrauen?“
„Das kannst du absolut, mein Kind.“
„ Ich brauche deine Hilfe. Ich plane etwas.“
„ Hilfe wobei?“
„ Ich möchte Muhammad töten.“
Agha Bilad bekam in seinem für einen Mann seines Ranges bescheidenen Anwesen Besuch von vielerlei Leuten. Die Belange der einfachen Menschen interessierten ihn nicht. Ihnen zuhören zu müssen, bereitete ihm immense Qualen. Für sie auch noch so viel an Zeit zu opfern noch größere Qualen. Umso mehr kam ihm ein Besuch seines Stellvertreters wie eine Erlösung aus dieser Hölle
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