Liebe unter Fischen
mir ja gerade vorhin gesagt. Am Telefon .«
August blieb stehen. » Hör zu, Lisi. Ich weiß, dass du ihm gefällst. Sieh’s einmal so: Fred liebt deine Augen, deine Haare, deine Brüste, deinen Hintern, deinen Geruch. Er will Sex mit dir haben !«
» Sehr romantisch !«
» Ich will ja nur, dass du dich entspannst !«
» Und ich will, dass er mich liebt !«
» Sex ist doch schon einmal eine gute Grundlage .«
» Bei dir ist immer alles so einfach .«
» Es geht gar nicht einfacher. Die ganze Natur will nichts anderes als Sex .«
» Hör jetzt auf !«
» Ich will ja nur sagen, ob du Mara heißt oder Lisi, Greti oder Yvonne, ob du über Fische forschst oder Fische verkaufst oder Filmstar bist oder Brote streichst, das ist ihm egal. Er steht auf dich .«
» Ich streiche keine Brote. Ich arbeite für ein Cateringunternehmen .«
» Lisi, nur ein Tipp. Versuch, in der nächsten halben Stunde nicht kompliziert zu sein. Einfach. Nicht kompliziert .«
» Kannst du mich jetzt bitte allein lassen .«
» Kein Problem. Komm, Aisha .«
August machte kehrt. Er war nicht wirklich beleidigt, verspürte aber ohnehin kein gesteigertes Bedürfnis, beim Zusammentreffen von Lisi und Fred dabei zu sein.
» August! Bitte !« Lisi war ihm nachgelaufen. » Es tut mir leid. Bitte. Bitte komm mit. Vielleicht erkenne ich ihn ja gar nicht wieder ohne dich .«
August machte wiederum kehrt: » Alles, wie du willst. Ich möchte nur anmerken, zugegeben, schlecht benehmen kann ich mich ganz gut, aber so unhö fl ich wie du bin ich noch lange nicht .«
Lisi drückte August einen entschuldigenden Kuss auf die Wange. Statt die sichere Unterführung zu nehmen, überquerten sie laufend die breite Straße, die wie ein Ring um die Siegessäule lag, und liefen die Stufen zu dem Monument hinauf. Lisis Herz klopfte wie wild, aber ihr war nicht übel. Immer, wenn ihr bei aufregenden Begegnungen leicht übel war, wurde nichts draus, so gut kannte sie sich schon aus jahrelanger Selbstbeobachtung. Diesmal fühlte sie sich in ihrer Panik durchaus wohl.
» Riesig«, sagte August. » Aber auch nicht wirklich schön .«
» Berlin ist nicht schön. Aber sexy«, wandelte Lisi einen Ausspruch des Bürgermeisters ab.
Sie waren zweimal um die Säule gelaufen, richtig gelaufen, selbst die etwas erschöpfte Aisha fand Gefallen an diesem lustigen Spiel.
» Er ist nicht da«, wimmerte Lisi, deren Mut wieder zu sinken begann.
» Kann man hinaufgehen ?« , fragte August.
» Klar .«
» Dann los .«
Lisi zahlte den Eintritt. 285 Stufen später waren sie auf der Aussichtsplattform angelangt.
» Hallelujah, die Viktoria !« August begrüßte die Siegesgöttin wie eine alte Freundin.
» Im Volksmund heißt sie Goldelse«, keuchte Lisi, die sich vorsichtig umsah. Denn so komplett außer Atem wollte sie nicht auf Fred treffen. Obwohl. Auch schon egal! Kein Fred in Sicht. Überhaupt hatten sich nur wenige Menschen den herben Aufstieg angetan.
» Und der Ausblick !« , rief August. » Das ist ja zum Verrücktwerden schön !«
Und dann stellte er sich gerade hin, ließ zuerst einen juchzenden Schrei los, der in einen lauten, aber langsamen, fast elegischen, von tiefer Freude erfüllten Jodelgesang überging: » Hul-jo-i-diri-di-ri, hol-la-rai-ho-i-ri .« Lisi rann ein kalter Schauer über den Rücken, so exotisch und so schön war das: Und dann – was war das – eine zweite Stimme gesellte sich dazu, von der anderen Seite des Turms, da jodelte noch jemand: » Hul-jo-i-diri-di-ri, hol-la-rai-ho-i-ri«. August spielte sogleich mit der zweiten Stimme, antwortete auf die musikalische Frage, zunächst verhalten, dann juchzend, und die Wirbelsäule vibrierte, auf der Höhe des Herzens, genau dort, wo bei Engeln die Flügel angewachsen sind, und die Siegessäule vibrierte mit.
» Hul-jo-i-diri-di-ri, hol-la-rai-ho-i-ri!«
Der Gesang endete, und Fred und August liefen einander in die Arme und hielten sich ganz fest.
» Du bist nicht gekauft … « , sagte Fred, und es klang eher nach einer Feststellung als nach einer Frage.
» Du bist ein solcher Depp«, antwortete August liebevoll, und dann herzten sie einander noch einmal. Beide hatten Tränen in den Augen.
» Na toll, die haben sich gefunden«, dachte Lisi, die etwas abseits stand und ebenfalls Tränen in den Augen hatte, aus Angst, aus Ergriffenheit, aus Zorn, das wusste sie nicht so genau. Nein, Lisi, sagte sie sich, zwei Männer lieben sich, das ist gerade auf der Siegessäule so okay wie sonst fast
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