Liebe wird oft überbewertet
Triebstau einer Generation, die ihr Dating ins Internet verlagert hat.
Aber ist nicht alles doch komplexer mit dem Vampirboom? Gibt es nicht ständig neue Ausformungen, zum Beispiel den sympathischen, fast vegetarischen Vampir, der sich mit Tierblut begnügt?
»Der Vampir ist eine Figur der Krise, denn er verkörpert die Ängste der Menschen«, sagte der Literaturwissenschaftler Stefan Keppler-Tasaki einst dem »Spiegel«. Im Bild des starken, schönen, schützenden, familienfreundlichen Vampirs spiegele sich die Krisenzeit.
Vielleicht ist es aber so, sagt da die Paarkritikerin, dass junge, von der Zwangsheterosexualität noch nicht ganz verdorbene Mädchen es bereits ahnen: Es ist wahrscheinlicher, mit einem Vampir eine glückliche Beziehung zu führen als mit einem Mann aus Fleisch und Blut.
Die Vampirphase ersetzt ja inzwischen schon die berüchtigte präpubertäre Pferdephase. Eigentlich auch logisch: Denn auch ein Vampir ist wie das Pferd kraftvoll und muskulös, seidig glänzend, schimmernd oder funkelnd, schön und anmutig, mit einem beeindruckenden Gebiss. Er ist treu und sanft und bei liebevoll-hingebungsvoller Pflege handzahm, dabei eigentlich unbändig. Die Statur ist beeindruckend, aber nicht unbedingt sexuell besetzt.
Auch ein Vampir ist was zum Füttern und Beschützen. Und wie auch beim Pferd bleibt beim Vampir die Enttäuschung des Beziehungsalltags aus – denn wenn sich die romantische Liebe erfüllt, wird auch der ansehnlichste Teenager zum Vampir. So wird die vom Wesen her eher unrealistische Vampirbeziehung zur positiven Utopie.
Deshalb sind wohl auch verschiedene Vampir-Beziehungsratgeber auf dem Markt. In »Tote Jungs küssen besser« wird vor den größten Dating-Fehlern mit Unsterblichen gewarnt. Andere Ratgeber geben wertvolle Tipps: »Wie locke ich ihn hinter dem Grabstein hervor?« Überraschend groß ist die Auswahl im Kapitel »Welcher Unsterbliche passt zu mir?« Immerhin kann man da zwischen Vampir, Werwolf, Elf, Geist, Dämon, Zombie, Zwerg und Engel wählen. Und im Vergleich zum realen Angebot an bindungswilligen Männern scheint da selbst die leidende, von Selbstzweifeln zerfressene Figur eines Werwolfs doch recht attraktiv.
Aber bleibt man in der Logik »Lieber ein Vampir als ein Mann aus Fleisch und Blut« gilt auch »Lieber eine schwierige Beziehung mit einem Vampir als gar keine Beziehung«. Schlimm genug.
Ein Singlebuch kommt selten allein
In unserer paarnormativen Gesellschaft gilt das Kein-Paar-Sein, oder das Kein-Paar-sein-Wollen als das Nicht-Normale, weil das Paar die absolute Norm darstellt.
So wie Simone de Beauvoir in »Das andere Geschlecht« aufzeigt, wie die Frau immer als das andere, der Sonderfall, eine Minderheit mit Spezialproblemen gesehen und beschrieben wird, genauso ist auch der Einzelne, der Mensch, der es vorzieht, allein zu leben, im großen Gesellschaftsplan nicht vorgesehen.
Es gibt zwar die fortlaufende Erzählung vom Großstadtsingle, der frei und hedonistisch das auf den ersten Blick bessere, freiere Leben voller toller Angebote lebt. Aber nur bis zu den Fest- und Feiertagen, da ereilt ihn dann der Katzenjammer. Und früher oder später spürt dieser Single dann eine starke innere Leere, horcht in sich hinein, lernt seinen Single-Egoismus zu überwinden und wird als Familienvater oder -mutter doch noch ein nützliches Mitglied der Gesellschaft.
Wäre das Single-Sein, das Alleinleben wirklich gesellschaftlich anerkannt, als gleichwertige Möglichkeit unter anderen Lebensperspektiven, gäbe es wohl kaum so viele Ratgeber und Betroffenenliteratur zum Thema. Wer in seiner pärchenzentrierten Weltsicht glaubt, Singles wären eine durch und durch akzeptierte Erscheinung in den modernen westlichen Industriegesellschaften, der werfe einen Blick auf die aktuelle Ratgeberliteratur. Allen Singlebüchern ist gemein, dass sie das Alleinleben immer nur als temporäre Erscheinung verhandeln. Ihr Motto ist: Versuche die kurze Zeit als Single zu genießen, es ist nicht schlimm, vorübergehend mal allein zu sein! Es kann sogar schön sein. Davon abgesehen haben sich aber auf dem Ratgebermarkt durchaus verschiedene Richtungen und Schulen herausgebildet.
Die Paartherapie
Die Mehrzahl der männlichen deutschen Liebesspezialisten, Psychologen und Paartherapeuten sieht sich in der Nachfolge von Erich Fromm, der in seinem Bestseller »Die Kunst des Liebens« das Konstrukt Liebe als grundsätzlich positives Himmels- oder Menschheitsgeschenk ansieht. Anders als
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