Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
Vom Netzwerk:
biologische Sinn von Röcken und Kleidern? Und warum tragen viele Männer in der orientalischen Welt Kleider statt Hosen? In der westlichen Welt schminken sich vor allem die Frauen – heute! Noch im Barock puderten und schminkten sich die Männer wie die Frauen; auf Papua-Neuguinea und anderswo tun sie es noch immer.
    Die Kultur ist die Leinwand, auf die wir unser Geschlecht malen, und nicht die Biologie. Jede Geschlechterrolle ist damit ein Teil unseres Selbstkonzeptes. Und was wir von uns selbst fühlen und denken, bestimmt unsere Identität. Ob wir uns besonders männlich fühlen oder besonders weiblich, hängt von den Vorstellungen ab, die unsere Gesellschaft von männlichem und weiblichem Verhalten hat. Es hängt aber auch von unserer inneren Überzeugung ab: davon, wie männlich oder weiblich wir uns selbst einschätzen. Denn Menschen schätzen sich unausgesetzt selbst ein: ihre Intelligenz, ihren Humor, ihre Ausstrahlung, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. Bis in die 1960er Jahre waren Frauen, die einen Führerschein hatten, eine Seltenheit. Da Autos eine Domäne der Männer waren, glaubten nicht nur die Männer, sondern sehr viele Frauen, dass das weibliche Geschlecht zum Autofahren von Natur aus weniger geeignet sei. Diese Ansicht dürfte in Westeuropa heute nahezu ausgestorben sein – den Mythos vom fehlenden Gen für das Rückwärts-Einparken einmal ausgenommen.
    Aus dieser Sicht lohnt sich auch ein letzter Satz über die ungezählten Tests zum räumlichen Vorstellungsvermögen bei Männern und Frauen. Für die evolutionären Psychologen war klar: Männer schneiden bei diesen Tests im Schnitt leicht besser ab – ein Erbe aus der Zeit als Mammutjäger. Lassen wir einmal dahingestellt, ob die Orientierung in der Tundra tatsächlich auch
nur entfernt etwas mit der Fähigkeit zu tun hat, Würfelfiguren am Computer zu drehen. Klar ist jedenfalls, dass der Anteil von Kultur und Selbstkonzept am Würfeldrehen heute offen zutage getreten ist: Die Geschichte der Raumvorstellungstests ist nämlich zugleich die Geschichte eines rasanten Siegeszugs des weiblichen Geschlechts. Während in den 1970er Jahren die Männer noch deutlich besser abschnitten, haben sich die Ergebnisse in neueren Studien fast völlig angeglichen. Ich denke, wir können ausschließen, dass Frauen sich in den letzten drei Jahrzehnten in diesem Punkt genetisch stark verändert haben. Wahrscheinlicher dagegen ist, dass sich die gesellschaftlichen Rollenmuster verändert haben und Mädchen und Frauen sich das Würfeldrehen heute eher zutrauen als zuvor. Denn Selbstvertrauen ist bei nahezu jedem Intelligenztest sehr wichtig.
    Ein Fazit? Männer und Frauen sind einander nicht grundsätzlich fremd. Unsere wichtigen Gefühle und Bedürfnisse sind gleich oder doch zumindest sehr ähnlich. Es gibt ein biologisches Geschlecht, das mehr ist als nur eine »Konstruktion«. Aber wir wissen nicht viel über dieses Geschlecht. Spätestens dann, wenn wir natürliche Verhaltensweisen nachweisen wollen, geraten wir ins Schlingern. Das instinktive Verhalten von Gladiatorfröschen, Grauen Würgern und Menschen ist qualitativ nicht das gleiche. Menschen sind von Amphibien und Vögeln völlig getrennt durch die höchst variantenreiche menschliche Kultur.
    Doch wenn es stimmt, dass wir unser soziales Geschlecht selbst erfinden, wie sieht es denn mit der geschlechtlichen Liebe aus? Ist die Liebe ebenfalls nur ein gesellschaftliches Konstrukt, oder hat sie ein sicheres Fundament in der Biologie? Um diese Frage zu beantworten müssen wir der Welt von Margaret Mead und Judith Butler den Rücken kehren und zurückkommen auf etwas so Possierliches wie das Seepferdchen. Und wir wagen uns an eine biologische Frage heran, die so ungeheuerlich ist, dass sie fast lächerlich erscheint: Warum gibt es überhaupt Sex? Und warum gibt es Mann und Frau? Vielleicht lernen wir ja auch
auf diese Weise etwas darüber, dass die Liebe zwischen den Geschlechtern keine Angelegenheit von egoistischen Genen ist. Die nicht hinterfragte puritanische Idee angelsächsischer evolutionärer Psychologen, dass Liebe als »Bindungsabsicht« aus dem Sex entspringt, wird jedenfalls stark in Zweifel gezogen. Denn weder für den Sex noch für eine längerfristige Brutpflege-Bindung zwischen den Geschlechtern bedurfte es der »Erfindung« der Liebe.
    Sie hat einen ganz anderen Ursprung.

Die Liebe

6. KAPITEL
    Darwins Skrupel
    Was Liebe von Sex trennt

Wieso gibt es eigentlich Mann und Frau?
    Seepferdchen

Weitere Kostenlose Bücher