Lieben: Roman (German Edition)
Nachmittag fing ich an, das Fleisch zu dämpfen. Wir deckten den Tisch mit einer weißen Decke und Kerzen und Aquavit und allem. Aber das Fleisch wurde nicht fertig, weil wir keinen Topf hatten, der dicht genug war, der einzige Effekt bestand darin, dass die ganze Wohnung nach Hammel roch. Am Ende ging Linda ins Bett.«
»Und dann hat er mich um eins geweckt!«, sagte Linda. »Und wir haben hier gesessen, alleine, mitten in der Nacht, und ein norwegisches Weihnachtsgericht gegessen.«
»Das war doch schön, oder etwa nicht?«, sagte ich.
»Ja, das war es«, sagte sie und lächelte.
»Hat es gut geschmeckt?«, sagte Helena.
»Oh ja. Es sieht vielleicht nicht besonders gut aus, aber geschmeckt hat es.«
»Ich dachte, du wolltest eine Geschichte über etwas erzählen, was du nicht kannst«, sagte Anders. »Aber das war ja nun wieder die pure Idylle.«
»Jetzt lasst den Mann mal ein bisschen in Ruhe«, meldete sich Geir zu Wort. »Er hat Karriere damit gemacht zu erzählen, wie missraten er ist. Eine tragische und traurige Episode nach der anderen. Von vorne bis hinten nur Reue und Scham. Jetzt wird gefeiert! Lasst ihn zur Abwechslung mal darüber reden, was für ein toller Hecht er ist!«
»Ich würde dich gerne mal von einer Niederlage erzählen hören, Anders«, sagte Helena.
»Vergiss nicht, mit wem du sprichst«, sagte Anders. »Du redest mit jemandem, der einmal reich gewesen ist. Und wenn ich reich sage, dann meine ich reich. Ich hatte zwei
Autos, eine Wohnung in Östermalm, das Konto voller Geld. Ich konnte überall Urlaub machen, wann immer ich wollte. Ich hatte sogar Pferde! Und was mache ich jetzt? Sorge dafür, dass eine Schinkenspeck-Fabrik in Dalarna mit Gewinn läuft! Aber ich beklage mich verdammt nochmal nicht, wie ihr es tut!«
»Wer ist ihr?«, sagte Helena.
»Du und Linda, zum Beispiel! Ich komme nach Hause, und da sitzt ihr mit euren Teetassen auf der Couch und beklagt euch über alles Mögliche. All die möglichen und unmöglichen Gefühle, mit denen ihr euch die ganze Zeit herumschlagt. So kompliziert ist das doch nicht. Entweder es läuft, oder es läuft nicht. Und das ist doch gut so, also auch Letzteres, denn so kann es doch nur wieder besser werden.«
»Das Seltsame an dir ist, dass du nie einsehen willst, wo du bist«, sagte Helena. »Aber es liegt nicht daran, dass es dir an Selbsterkenntnis mangelt. Es liegt daran, dass du nicht willst. Manchmal beneide ich dich. Wirklich. Ich kämpfe so darum zu begreifen, wer ich bin und warum alles, was mit mir passiert, eigentlich passiert.«
»Deine Geschichte ist der von Anders doch gar nicht so unähnlich, oder?«, sagte Geir.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, du hattest doch auch alles. Du warst im Ensemble des Theaters, du bekamst Hauptrollen in großen Inszenierungen, gute Filmrollen. Und dann hast du alles aufgegeben. Also wenn du mich fragst, war das auch eine ziemlich optimistische Handlung. Einen amerikanischen New-Age-Guru zu heiraten und nach Hawaii zu ziehen.«
»Für meine Karriere war das nicht so gut«, sagte Helena. »Da hast du Recht. Aber ich folgte meinem Herzen. Und ich bereue nichts. Wirklich nicht!«
Sie lächelte und schaute sich um.
»Und bei Christina ist es die gleiche Geschichte«, sagte Geir.
»Wie geht deine Geschichte?«, sagte Anders und sah Christina an.
Sie lächelte, hob den Kopf und schluckte den Bissen hinunter, den sie im Mund hatte.
»Ich war schon ganz oben, noch bevor ich richtig angefangen hatte. Ich hatte meine eigene Kleidermarke und wurde zur besten neuen Designerin des Jahres gekürt, ich wurde auserkoren, Schweden bei der Modemesse in London zu repräsentieren, ich war mit meiner Kollektion in Paris…«
»Das Fernsehen war bei uns zu Hause«, sagte Geir. »Und Christinas Gesicht hing in riesigen Wimpeln, nein, verdammt, riesigen Segeln an der Fassade des Kulturhauses. In Dagens Nyheter erschien ein sechsseitiges Feature über sie … Wir waren auf Empfängen, bei denen die Frauen, die dort kellnerten, wie Elfen gekleidet waren. Überall floss der Champagner. Wir waren so unglaublich glücklich.«
»Was ist passiert?«, sagte Linda.
Christina zuckte mit den Schultern.
»Es kam kein Geld herein. Der Erfolg war nirgendwo verankert. Oder vielleicht nicht dort, wo es darauf ankam. Also musste ich Konkurs anmelden.«
»Aber das hast du dafür mit Pauken und Trompeten gemacht«, meinte Geir.
»Ja«, sagte Christina.
»Der Sargnagel war die letzte Kollektion«, sagte Geir. »Christina
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