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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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hatte ein gigantisches Event-Zelt gemietet und auf Gärdet aufbauen lassen. Das Zelt war eine Kopie des Opernhauses von Sidney. Die Models sollten über die freie Fläche da draußen angeritten kommen. Christina hatte sie bei der Leibgarde des Königs und der berittenen Polizei rekrutiert. Alles war groß und teuer, es wurde an nichts gespart. Schwere
Punschschüsseln mit brennendem Eis, ihr wisst schon, der Rauch trieb, und alle waren da. Alle Fernsehsender, alle großen Zeitungen. Es sah aus wie auf dem Set einer großen Filmproduktion. Aber dann fing es an zu regnen. Und wenn ich regnen sage, dann meine ich regnen. Es goss in Strömen.«
    Christina lachte und hob die Hand zum Mund.
    »Ihr hättet die Models sehen sollen!«, fuhr Geir fort. »Die Haare klebten ihnen in der Stirn. Alle Kleider waren klatschnass und zerzaust. Es war ein völliges Fiasko. Aber verdammt, es hatte auch was. Nicht alle schaffen es, so grandios zu scheitern.«
    Alle lachten.
    »Deshalb hat sie Pantoffeln gezeichnet, als du uns zum ersten Mal besucht hast«, sagte Geir und sah mich an.
    »Das waren keine Pantoffeln«, sagte Christina.
    »Egal«, sagte Geir. »Eins von diesen alten Modellen wurde plötzlich ein Verkaufsschlager, weil Christina es auf einer Modenschau in London getragen hatte. Sie bekam nichts dafür. Das Entwerfen der Schuhe wurde dann zum Trostpflaster. Es war das Einzige, was vom Traum geblieben war.«
    »Ich bin ja nun beim besten Willen nicht ganz oben gewesen«, sagte Linda. »Aber das bisschen Erfolg, das ich hatte, folgte exakt der gleichen Kurve.«
    »Steil nach unten?«, sagte Anders.
    »Steil nach unten, ja. Ich brachte mein erstes Buch heraus, was an sich ein fantastisches Ereignis war, nicht dass es für andere Aufsehen erregend gewesen wäre, aber für mich war es groß und toll, und dann bekam ich zu allem Überfluss einen japanischen Literaturpreis. Ich habe Japan immer geliebt. Ich wollte hinreisen und ihn in Empfang nehmen. Ich hatte einen japanischen Sprachführer und alles Mögliche gekauft. Dann wurde ich krank, plötzlich kam ich mit nichts mehr zurecht, jedenfalls nicht mit einer Reise nach Japan… Ich hatte eine
zweite Gedichtsammlung geschrieben, die zunächst angenommen wurde, und als ich es erfuhr, ging ich aus und feierte, aber dann zogen sie ihre Zusage zurück. Ich ging damit zu einem anderen Verlag, und dort passierte haargenau das Gleiche. Erst rief der Lektor an und meinte, sie sei fantastisch und man werde sie herausgeben, und das war natürlich peinlich, ich erzählte doch allen Leuten davon … denn dann rief er wieder an und meinte, dass sie die Gedichte nun doch nicht veröffentlichen würden. Und das war’s.«
    »Das war traurig«, sagte Anders.
    »Ach was, auch gut«, sagte Linda. »Heute bin ich froh, dass sie nicht erschienen sind. Das ist alles halb so wild.«
    »Was ist mit dir, Geir?«, sagte Helena.
    »Du meinst, ob ich auch ein beautiful loser bin?«
    »Genau.«
    »Ja-a, ich denke, das kann ich durchaus von mir behaupten. Ich war ein akademischer Wonderboy.«
    »Und das sagst du selbst?«, sagte ich.
    »Es tut ja kein anderer. Aber ich war einer. Meine Dissertation schrieb ich auf Norwegisch über eine Feldarbeit in Schweden. Das war kein Schachzug. Es bedeutete, dass kein schwedischer Verlag sich dafür interessierte und auch kein norwegischer. Es war darüber hinaus nicht sonderlich hilfreich, dass ich über Boxer schrieb, ohne nach sozialen Erklärungen oder Entschuldigungen für das zu suchen, was sie taten, also, dass sie arm oder unterprivilegiert oder kriminell oder etwas in der Art waren. Ich vertrat im Gegenteil die Auffassung, dass ihre Kultur relevant und adäquat ist, wesentlich relevanter und adäquater als die mittelschichtverweiblichte Akademikerkultur. Auch das war kein Schachzug. Jedenfalls wurde die Abhandlung von sämtlichen norwegischen und schwedischen Verlagen abgelehnt. Ich konnte sie am Ende nur veröffentlichen, indem ich die Kosten selber trug. Kein
Mensch hat sie gelesen. Wisst ihr, woraus das Marketing bestand? Eines Tages redete ich mit einer vom Verlag, und sie erzählte mir, dass sie das Buch jeden Morgen und Nachmittag auf der Nesodden-Fähre las und dabei dachte, dass ein paar Leute bestimmt den Umschlag sehen und neugierig auf das Buch werden würden!«
    Er lachte.
    »Und jetzt unterrichte ich nicht mehr, ich schreibe keine akademisch qualifizierenden Artikel mehr, nehme an keinen Seminaren mehr teil, sitze ganz allein und schreibe an einem

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