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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Die Angst, die mir entgegenschlug, als ich begriff, dass Vater den Knall gehört haben und der Ruß vielleicht nicht ganz abgehen könnte, so dass er ihn womöglich
sehen würde. Aber die Geschichte hat keine Pointe, überlegte ich, stand auf und schenkte Wein ein, begegnete Helenas lächelndem Blick, setzte mich, sah zu Geir hinüber, der über die Unterschiede zwischen Schweden und Norwegen sprach, ein Thema, das er unweigerlich aufgriff, wenn das Gespräch am Tisch ein wenig zäh verlief, da dabei alle mitreden konnten.
    »Aber warum soll man Schweden und Norwegen vergleichen«, sagte Anders nach einer Weile. »Hier passiert doch nichts. Und kalt und hässlich ist es auch.«
    »Anders will nach Spanien zurück«, sagte Helena.
    »Ja, und?«, sagte Anders. »Wir hätten einfach alle dorthin ziehen sollen. Was hält uns hier denn eigentlich? Nichts?«
    »Was ist denn so besonders an Spanien?«, sagte Linda.
    Er breitete die Arme aus.

»Man kann tun, was man will. Es kümmert niemanden. Außerdem ist es dort schön und warm. Sie haben fantastische Städte da unten. Sevilla. Valencia. Barcelona. Madrid.«
    Er sah mich an.
    »Außerdem wird da unten auf einem etwas anderen Niveau Fußball gespielt. Wir zwei sollten hinfahren und uns El Classico ansehen. Eine Übernachtung. Ich könnte Karten besorgen. Kein Problem. Was hältst du davon?«
    »Hört sich gut an«, sagte ich.
    »Hört sich gut an«, posaunte er. »Wir fahren hin!«
    Linda sah mich an und lächelte. Fahr du nur, das gönne ich dir, sagte ihr Blick. Aber ich wusste, es gab andere Blicke und Gemütsverfassungen, die früher oder später kommen würden. Fährst du weg und amüsierst dich, während ich alleine zu Hause hocke, sagten diese. Du denkst nur an dich. Wenn du irgendwohin fährst, dann bitteschön zusammen mit mir. All das lag in ihrem Blick. Eine grenzenlose Liebe und eine grenzenlose Sorge. Unablässig kämpften sie um den Vorrang. In
den letzten Monaten war etwas Neues hinzugekommen, bei dem es um das Kind ging, das bald da sein würde, es lag als etwas Dumpfes in ihr. Die Sorge war zart, ätherisch, flackerte durchs Bewusstsein wie Nordlicht über einen Winterhimmel oder wie Blitze an einem Augusthimmel, und die Dunkelheit, die sie begleitete, war ebenfalls leicht, jedenfalls insofern, als dass sie Abwesenheit von Licht war, und Abwesenheit hat kein Gewicht. Was sie jetzt erfüllte, war etwas anderes, und ich dachte, dass es mit Erde zu tun hatte, etwas Erdiges, eine Verwurzelung war. Gleichzeitig überlegte ich, dass dies ein dummer, mythologisierender Gedanke war.
    Trotzdem. Erde.
    »Und wann ist El Classico?«, sagte ich und lehnte mich über den Tisch, um Anders einzuschenken.
    »Keine Ahnung. Aber wir brauchen ja nicht unbedingt zu dem Spiel fahren. Irgendein anderes Spiel tut es auch. Ich will nur Barcelona sehen.«
    Ich schenkte mir selbst ein und stocherte das Fleisch heraus, das ganz innen in der Schere lag.
    »Ja, das wäre toll«, sagte ich. »Aber wir müssen wenigstens bis eine Woche nach der Geburt warten. Wir sind ja keine Männer aus den Fünfzigern mehr.«
    »Ich schon«, widersprach Geir.
    »Ich auch«, sagte Anders. »Ich bin zumindest ein Grenzfall. Hätte ich es gekonnt, hätte ich bei der Geburt im Flur gestanden.«
    »Und warum ging das nicht?«, sagte Geir.
    Anders sah ihn an und lachte.
    »Sind alle satt?«, erkundigte ich mich. Als sie nickten und sich für das Essen bedankten, sammelte ich die Teller ein und trug sie in die Küche. Christina folgte mir mit den beiden Servierplatten.
    »Kann ich dir helfen?«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf und begegnete flüchtig ihrem Blick, ehe ich wegsah.
    »Nein«, sagte ich. »Aber danke für das Angebot.«
    Sie ging zurück, und ich füllte einen Topf mit Wasser und setzte ihn auf die Herdplatte. Draußen knatterten und knallten Raketen. Das kleine Stückchen Himmel, das ich einsehen konnte, wurde ab und an von glitzerndem Licht erhellt, das herabtaumelte und im Fallen erlosch. Aus dem Wohnzimmer drang Lachen zu mir herein.
    Ich stellte die beiden schwarzen gusseisernen Töpfe auf Platten und stellte diese auf die höchste Stufe. Öffnete das Fenster, so dass die Stimmen vorbeigehender Menschen jäh lauter wurden. Ging ins Wohnzimmer, legte eine Platte auf, die neue Cardigans, passende Hintergrundmusik.
    »Ich frage erst gar nicht, ob du Hilfe brauchst«, sagte Anders.
    »So kann man es natürlich auch sagen«, meinte Helena und drehte sich zu mir um. »Brauchst du

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