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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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riesige Wohnungen mit zwölf oder vierzehn Zimmern gab. Kronleuchter, Adel, riesige Mengen Geld. Ein Leben, über das ich nichts wusste.
    Auf der anderen Seite lag das Hafenbecken vollkommen schwarz an der Kaikante, weiter draußen sah man weißschäumende Wellenkämme. Der Himmel war dunkel und schwer, der Lichtschein der Gebäudemasse jenseits der Wasserfläche wie kleine Stiche aus Licht im gewaltigen Grau.
    Vanja quengelte ein wenig und wand sich im Wagen, so dass sie abrutschte und auf der Seite landete. Das ließ sie noch mehr quengeln. Als Linda sich bückte und sie wieder hochzog, glaubte sie für einen Moment, aus dem Wagen zu dürfen, und stieß einen frustrierten Schrei aus, als sie erkannte, dass dies nicht der Fall war.
    »Warte mal kurz«, sagte Linda. »Ich will mal nachsehen, ob in der Tasche ein Apfel oder etwas anderes ist.«
    Es lag einer darin, und in der nächsten Sekunde war Vanjas
Frustration wie weggeblasen. Zufrieden saß sie da und nagte an ihrem grünen Apfel, während wir weiter stadteinwärts gingen.
    Drei Monate, das bedeutete Mai. Damit gewann ich gerade einmal zwei Monate. Aber das war besser als gar nichts.
    »Vielleicht kann meine Mutter auch an ein oder zwei Tagen in der Woche auf Vanja aufpassen«, sagte Linda.
    »Ja, das wäre toll«, erwiderte ich.
    »Wir fragen sie morgen.«
    »Ich habe da so eine Ahnung, dass sie ja sagen wird«, meinte ich und lächelte.
    Lindas Mutter ließ alles stehen und liegen und war sofort zur Stelle, wenn eines ihrer Kinder Hilfe benötigte. Und wenn es dafür jemals Grenzen gegeben hatte, dann waren diese nach der Geburt ihres Enkelkindes verschwunden. Sie vergötterte Vanja und würde alles, wirklich alles für sie tun.
    »Freust du dich?«, sagte Linda und strich mir über den Rücken.
    »Ja«, sagte ich.
    »Sie wird dann schon einiges größer sein«, sagte sie. »Sechzehn Monate. Das ist nicht so wenig.«
    »Torje war zehn Monate, als er in den Kindergarten kam«, sagte ich. »Und es hat bei ihm zumindest keine sichtbaren Schäden hinterlassen.«
    »Und wenn ich schwanger bin , kommt das Kind im Oktober. Dann ist es gut, wenn es für Vanja einen festen Tagesablauf gibt.«
    »Ich glaube ja, du bist schwanger.«
    »Das tue ich auch. Nein, ich weiß es. Ich habe es gestern schon gewusst.«
    Als wir zu dem Platz vor dem Königlichen Dramatischen Theater kamen und stehen blieben, um an der Ampel auf Grün zu warten, fing es an zu schneien. Der Wind presste sich
um Häuserecken und über Dächer, entlaubte Äste schwankten, Wimpel knallten. Die armen Vögel am Himmel wurden im Wind über uns hilflos abgetrieben. Wir gingen zu dem Platz am Ende der Bibliotheksgatan, an dem sich damals, in den unschuldigen siebziger Jahren, jenes Geiseldrama abgespielt hatte, das ganz Schweden erschüttert und zur Prägung des Begriffs Stockholmsyndrom geführt hatte, und folgten einer der Nebenstraßen zum Kaufhaus NK, wo wir für das Essen einkaufen wollten, das wir am Abend gaben.
    »Wenn du willst, kannst du mit ihr schon nach Hause gehen, während ich einkaufe«, sagte ich, denn ich wusste, wie sehr Linda Geschäfte und Einkaufszentren hasste.
    »Nein, ich will bei dir sein«, sagte sie.
    Also nahmen wir den Aufzug in die Lebensmittelabteilung im Untergeschoss, kauften Salsiccia, Tomaten, Zwiebeln, glatte Petersilie und zwei Packungen Rigatoni, Eis und tiefgefrorene Brombeeren, nahmen den Aufzug nach oben in die Etage mit dem Staatlichen Alkoholgeschäft, wo wir einen kleinen Karton Weißwein für die Tomatensauce, einen Karton Rotwein und eine kleine Flasche Cognac kauften. Auf dem Weg nahm ich die norwegischen Zeitungen mit, die gerade gekommen waren, Aftenposten , Dagbladet , Dagens Næringsliv und VG , darüber hinaus The Guardian und The Times , für deren Lektüre eventuell, aber nicht garantiert, im Laufe des Wochenendes eine Stunde Zeit auftauchen würde.
    Als wir nach Hause kamen, war es kurz nach eins. Die Wohnung in Schuss zu bringen, sie aufzuräumen und zu putzen, dauerte ziemlich genau zwei Stunden. Dazu kam der abnorm große Berg Kleider, der gewaschen werden musste. Aber wir hatten reichlich Zeit; Fredrik und Karin würden nicht vor sechs kommen.
    Linda setzte Vanja ins Stühlchen und erwärmte in der Mikrowelle ein Gläschen für sie, während ich die zahlreichen
Mülltüten nahm, die sich angesammelt hatten, vor allem die aus dem Bad, wo die Windeln den Mülleimer nicht nur so füllten, dass der Deckel hochstand, sondern auch in Stapeln auf dem

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